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Bildungskongress „VisionSummit2013“ vom 30.8. bis 1.9.2013 in Berlins Urania:

30.8.2013 - bis 1.9.2013
Auf dem Bildungskongress "VisionSummit2013", vom 30.8. bis 1.9.2013 in Berlins Urania, durfte ich als Teil der Bildungsstifter auch das Musikvereinsprojekt "SingPause" einem großen Plenum vorstellen. Viele Rückfragen aufgrund dieser Vorstellung machten deutlich, wie groß das Interesse an solchen Projekten gerade für Grundschulen ist. Die Aufbruchstimmung und die enorme Kompetenz vieler Beiträge und Workshops des Kongresses waren sehr beeindruckend und ermutigend, wenn man an neuen Wegen für die Bildung unserer Kinder interessiert ist. Ein Hauptkämpfer für die Veränderung der deutschen Bildungslandschaft ist Prof. Dr. Gerald Hüther, zusammen mit Prof. Dr. Richard David Precht. Lesen Sie Prof. Hüthers nachfolgenden Beitrag über das "Singen" und Sie werden verstehen, dass wir, Frau Rossetto und ich, uns sehr bestätigt in unserer Arbeit finden. Gehen Sie auf die Homepage der "Bildungsstifter" und Sie finden dort die "SingPause" mit ihren Zielen.
Manfred Hill
-Vorsitzender-
am 4.9.2013 - 19.00 Uhr

Prof. Dr. Gerald Hüther über das "Singen":

"Singen ist „Kraftfutter“ für Kindergehirne
Die Bedeutung des Singens für die Hirnentwicklung

Kindergehirne entwickeln sich nicht von allein. Damit es unseren Kindern gelingt, in ihrem Gehirn all die vielen komplexen Netzwerke herauszuformen, die erforderlich sind, um sich später im Leben zurechtzufinden, brauchen sie unsere Hilfe. Wir müssen ihnen zeigen und sie ermutigen, all das zu erlernen, worauf es im Leben ankommt. Dabei geht es weniger um den Erwerb von Wissen, sondern vor allem um die Aneignung all jener Fähigkeiten und Kompetenzen, die sie in die Lage versetzen, sich mit der Welt in Beziehung zu setzen und sich dabei selbst Wissen anzueignen und eigene Erfahrungen zu sammeln. Alles, was die Beziehungsfähigkeit von Kindern – zu sich selbst, zu anderen Menschen, zur Natur und zur Kultur in der sie leben – verbessert, ist deshalb die wichtigste „Entwicklungshilfe“, die wir unseren Kindern bieten können. Indem Kinder gleichzeitig mit sich selbst, mit anderen Menschen und dem was sie umgibt, in Beziehung treten, stellen sie auch in ihrem Gehirn Beziehungen zwischen den dabei gleichzeitig aktivierten neuronalen Netzwerken her, erhöhen sie das Ausmaß der Konnektivität. Die Gelegenheit, bei dessen Kindern das gelingt, sind Sternstunden für Kindergehirne.
Sie werden in einer von Effizienzdenken, Reizüberflutung, Verunsicherung und Anstrengung geprägten Lebenswelt leider immer seltener.
Im gemeinsamen, unbekümmerten und nicht auf das Erreichen eines bestimmten Zieles ausgerichteten Singen erleben Kinder solche Sternstunden. Sie sind Balsam für ihre Seele und Kraftfutter für ihr Gehirn.
In solchen Augenblicken werden in ihrem Gehirn gleichzeitig sehr unterschiedliche Netzwerke aktiviert und miteinander verknüpft:

Es kommt beim Singen zu einer Aktivierung emotionaler Zentren und einer gleichzeitigen positiven Bewertung der dadurch ausgelösten Gefühle. So wird das Singen mit einem lustvollen, glücklichen, befreienden emotionalen Zustand verkoppelt („Singen macht das Herz frei“). Das gemeinsame, freie und lustvolle Singen führt zu sozialen Resonanzphänomenen. Die Erfahrung von „sozialer Resonanz“ ist eine der wichtigsten Ressourcen für die spätere Bereitschaft, gemeinsam mit anderen Menschen nach Lösungen für schwierige Probleme zu suchen („wo man singt, das laß´ Dich richtig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“). Gemeinsames Singen mit anderen aktiviert die Fähigkeit zur „Einstimmung“ auf die Anderen und schafft so eine emotional positiv besetzte Grundlage für den Erwerb sozialer Kompetenzen (Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen, Selbstdisziplin und Verantwortungsgefühl). Da das Singen am Anfang immer mit anderen und mit der dabei empfundenen positiven emotionalen Besetzung erfolgt, kommt es zu einer sehr komplexen Kopplung, die später im Leben, auch beim Singen ganz allein für sich wieder wachgerufen wird (Singen macht froh und verbindet).Beim Singen kommt es individuell zu sehr komplexen Rückkopplungen zwischen erinnerten Mustern (Melodie, Tempo, Takt) und dem zum Singen erforderlichen Aufbau sensomotorischer Mustern (Wahrnehmung und Korrektur der eigenen Stimme). Singen ist also ein ideales Training für Selbstreferenz, Selbstkontrolle, Selbststeuerung und Selbstkorrektur.Zusätzliche, sich ebenfalls automatische einstellende „Nebeneffekte“ des Singens sind:

Erleichterung von Integrationsprozessen (Migranten, Behindete etc.)
salutogenetische Wirkungen (Singen heilt Wunden)
Generationenübergreifende Wirkungen (Alt und Jung)
Erleichterung des Spracherwerbs (Singtherapie bei Sprachentwicklungsstörungen)
transgenerationale Weitergabe von Kulturleistungen (Volkslieder, Singtraditionen etc.)

Es ist eigenartig, aber aus neurowissenschaftlicher Sicht spricht alles dafür, dass die nutzloseste Leistung, zu der Menschen befähigt sind – und das ist unzweifelhaft das unbekümmerte, absichtslose Singen – den größten Nutzeffekt für die Entwicklung von Kindergehirnen hat.
Darüber lohnt es sich, etwas länger nachzudenken."

Prof. Dr. Gerald Hüther
Neurobiologische Präventionsforschung
UNIVERSITÄTSMEDIZIN GÖTTINGEN
GEORG-AUGUST-UNIVERSITÄT
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
v. Siebold Str. 5
37075 Göttingen

Vita:
Prof Dr. Gerald Hüther, Sachbuchautor und Professor für Neurobiologe an der Universität Göttingen.

Prof. Dr. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern Deutschlands. Praktisch befasst er sich im Rahmen verschiedener Initiativen und Projekte mit neurobiologischer Präventionsforschung. Er schreibt Sachbücher, hält Vorträge, organisiert Kongresse, arbeitet als Berater für Politiker und Unternehmer. Als Mitherausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften, Mitbegründer des Netzwerkes für Erziehung und Bildung und häufiger Gesprächsgast in Rundfunk und Fernsehen ist er Wissensvermittler und –umsetzer in einer Person.

Studiert und geforscht hat er in Leipzig und Jena, dann seit 1979 am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen. Er war Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und leitete von 1994-2006 eine von ihm aufgebaute Forschungsabteilung an der psychiatrischen Klinik in Göttingen.

In seiner Öffentlichkeitsarbeit geht es ihm um die Verbreitung und Umsetzung von Erkenntnissen aus der modernen Hirnforschung. Er versteht sich als „Brückenbauer“ zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlicher bzw. individueller Lebenspraxis. Ziel seiner Aktivitäten ist die Schaffung günstigerer Voraussetzungen für die Entfaltung menschlicher Potenziale, speziell im Bereich Erziehung und Bildung sowie auf der Ebene der politischen und wirtschaftlichen Führung.