Am 2. April 1987 zeichnete der in Köln beheimatete Deutschlandfunk zwei denkwürdige Aufführungen der großen f-moll-Bruckner-Messe in der Tonhalle auf. Bernhard Klee dirigierte, es sangen Edith Mathis, Doris Soffel, Aldo Baldin und Robert Holl (siehe Vol. 2). 1997 folgten zwar noch 3 Aufführungen unter Salvador Mas Conde, die jedoch aufnahmetechnisch nicht dazu geeignet waren in die Dokumentation des Schallarchivs übernommen zu werden. Seither „ruhte“ das Werk, das zu den großen Prüfsteinen der Chorliteratur zählt. Dankbar nahm der Chor des Städtischen Musikvereins die Aufgabe an, Bruckners Bekenntniswerk nach vergleichsweise langer Zeit einmal wieder seinem Publikum präsentieren zu dürfen. Für ein derart „reifes“ Zeugnis innerer Frömmigkeit wurde der noch junge Dirigent Constantin Trinks (geb.: 9.4.1975) gewonnen, der im Jahr zuvor auch international medial auf sich aufmerksam machte, als er in Bayreuth Wagners Jugendwerk „Das Liebesverbot“ zu großem Erfolg führen konnte. Vergleicht man beide Mitschnitte (Klee – Trinks), so darf festgestellt werden, dass besonders die vom Komponisten geforderte Höhensicherheit dem Musikvereinschor deutlich weniger Probleme bereitet, als dies noch vor 27 Jahren der Fall war, ein Resultat intensiver stimmtechnischer Arbeit der derzeitigen Chordirektorin und der sie unterstützenden Stimmbildnerinnen und Stimmbildner. Natürlich wird besonders bei Bruckner auch eine nachhaltige Verjüngung und Verschlankung des Musikvereins hörbar, die sich in einem signifikant unangestrengterem Klangbild zeigt. Bernhard Klee hatte eine Chorstärke von 175 vor sich, Constantin Trinks leitete den Chor mit 135 Stimmen. Die Auseinandersetzung mit Bruckners Glaubens-Tonspektrum hatte Constantin Trinks übrigens schon in den Jahren seiner Tätigkeit als musikalischer Leiter des Saarländischen Staatstheaters unter Beweis stellen können; Er dirigierte dort u. a. dessen 3. und 7. Symphonie. Derzeit gilt der ehemalige Assistent von Christian Thielemann als einer der kompetentesten Vertreter des s. g. „Deutschen Fachs“, und zwar sowohl in der Oper als auch im Konzert. In den Aufführungen vom 11., 13. und 14. April 2014 gingen der f-moll-Messe von Bruckner Paul Graeners „Feierliche Stunde“ (Vorspiel op. 106) sowie die Symphonie Nr. 2 (Adagio für Großes Orchester) von Karl Amadeus Hartmann voraus.

© 05/2014 by Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V.

Als wir im Jahr 2000 überlegten, ein Schallarchiv des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf kontinuierlich aufzubauen, fiel die Wahl einer ersten (Versuchs-) Ausgabe auf die Komponisten Brahms und Mendelssohn. Damals waren es die beiden kleineren Chor-Orchesterwerke „Schicksalslied“ und „Nänie“, sowie „Die erste Walpurgisnacht“ (Vol. 1). Heute, 15 Jahre später, können wir auf nahezu 200 Ton- und Bilddokumente zurückblicken, und der Zufall will es, dass mit der vorliegenden Ausgabe des Schallarchivs wieder Brahms und Mendelssohn zu hören sind, wieder als Ausschnitte von zwei unterschiedlichen Konzerten, diesmal aber auch unter der Leitung von zwei grundverschiedenen Dirigenten. Okko Kamu (*1946) war 1969 Gewinner des ersten Karajan-Dirigentenwettbewerbs in Berlin und danach weltweit für seine der nordischen Symphonik (Sibelius/Berwald etc.) verpflichteten Interpretationen gefragt. Sein Dirigierstil setzt in hohem Maße eine völlige Selbständigkeit der beteiligten Musiker voraus, was auch der Chor des Städtischen Musikvereins erst einmal verinnerlichen musste. Ganz anders die Begegnung mit dem Schweizer Dirigenten und Göttinger Generalmusikdirektor Christoph-Mathias Müller (*1967), dessen mitreißende Energie, künstlerische Authentizität und hoher intellektueller Anspruch sich in einer geradezu leidenschaftlichen Proben- wie Konzertarbeit auch im Hinblick auf den Chor wieder spiegelten. Zwei gänzlich unterschiedliche Charaktere!


Marieddy Rossetto mit Okko Kamu nach dem Konzert.

Christoph-Mathias Müller

Innerhalb kürzester Zeit waren die Oktober-Konzerte der Düsseldorfer Symphoniker mit dem Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf –nach Cesar Francks „Psyche“ in französischer Sprache- erneut eine besondere Herausforderung: Sergei Rachmaninow „Die Glocken“ in Russisch. Dank der hervorragenden Betreuung durch Radostina Nikolova-Hristova, die übrigens selber auch singendes Sopran-Mitglied des Chores ist, konnte eine vielseits beachtete Düsseldorfer Erstaufführung realisiert werden. Der Chor behauptete sich nicht nur durch eine für ihn doch fremdsprachige Textdurchdringung mit einer nachhaltigen und außergewöhnlichen Artikulationsklarheit, sondern auch gegenüber einem stark besetzten (13 Blechbläser, 14er Streicher, 9 x Schlagwerk!) Orchester, das vom Gastdirigenten Ari Rasilainen nur an ganz wenigen Stellen etwas zurückgenommen wurde. Nicht nur für das Orchester, sondern auch für den Chor war Rachmaninows Symphonie-Kantate eine erste Begegnung der besonderen Art. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass der Chor des Städtischen Musikvereins sich nunmehr seit geraumer Zeit fast ausschließlich an den Rändern eines „gewöhnlichen“ Chorrepertoires bewegt, die Auseinandersetzung mit „Neuem“ und „Fremdem“ gleichsam zum Konzertalltag gehört. Dies ist jedoch, wie schon öfters an anderer Stelle erwähnt, seit den Zeiten von Bernhard Klee so, wobei damals die Balance zwischen Tradition und Neuentdeckung eine etwas andere war. Umso bewundernswert und somit wert zu schätzen ist die Bereitschaft gerade eines Laienchores sich immer wieder und auch ganz bewusst mit einer Literatur zu befassen, die nicht nur in unterschiedlichster Weise anspruchsvoll, sondern auch weit abgelegen von „ausgetretenen Pfaden“ anzusiedeln ist. Und dies alles (um eine seinerzeitige TV-Dokumentation über den Chor und seine Arbeit zu zitieren) nach Feierabend!

Aufnahme: Tonhalle Düsseldorf, 11.-14.10.2013, RSH - Ton- und Bildtechnik;
Aufnahmeleitung: Thorsten Kuhn; Toningenieur: Philipp Swoboda
Remastering, Text +Layout: Rainer Großimlinghaus, Kleinmachnow
ü./Steinberg WaveLab 6.2;
© 12/2013 by Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V.


Marieddy Rossetto, Chordirektorin


Reinhard Kaufmann, Korrepetitor


Radostina Nikolova-Hristova, Russisch-Coach

Wenn ein Konzertchor sich mit großem Engagement Werken widmet, die nicht unbedingt zum gängigen Repertoire gehören, dann ist es der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf. Man wird es als glücklichen Umstand bewerten, dass für Ralph Vaughan Williams „A Sea Symphony“ einer der ganz großen englischen Dirigentenpersönlichkeiten gewonnen wurde: Sir Roger Norrington. Der Musikverein durfte zuletzt im Jahre 1992 in New York mit Sir Roger zusammenarbeiten (Vol. 18). Nun, exakt 20 Jahre später kam diese Wiederbegegnung zustande, nicht zuletzt auch dank der freundlichen Unterstützung von Hartmut Haubrich und der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Düsseldorfer Tonhalle e.V. Ein wenig wurde man bei Proben und Konzert an die Zusammenarbeit mit einem anderen „Großen“ der britischen Musikszene erinnert: Sir Charles Groves, der die denkwürdigen Konzerte von Elgars „Dream of Gerontius“ im November 1983 leitete (Vol. 13). In beiden Fällen war der richtige Mann für das richtige Werk zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Durch eine äußerst kurzfristige Absage bedingt sprang der junge Bariton Michael Nagy ein. Die Generalprobe musste noch ohne ihn stattfinden! Wenige Tage zuvor hatte er in Stuttgart das Werk unter der Leitung von Vladimir Ashkenazy gesungen. Die Aufnahme zeigt, mit welcher Souveränität beide Solisten, aber auch Chor und Orchester der nicht immer einfachen Notentextur dieser spätest-romantischen und anspruchsvollen Partitur begegnet sind. Fern ab jeglicher Routine – ein beeindruckendes Dokument! Zitat Sir Roger:
„Ein richtig guter Chor!“


Sir Roger Norrington bei der Probe.

In der Presse war nach dem hier vorliegenden Konzertausschnitt vielfach zu lesen “…ein Konzert ganz ohne Geigen…“ oder Ähnliches. Streng genommen ist das nicht korrekt, denn Streichinstrumente waren sehr wohl zu hören bei einem Programm, das Andrey Boreyko mit Werken von Arvo Pärt (Fratres, Da pacem domine), Igor Strawinsky (Konzert für Klavier und Bläser) und Gabriel Fauré (Requiem) zusammengestellt hatte. Nur eben die 1. und 2. Tutti-Violinen fehlten, wohingegen sowohl die Violen (Bratschen), Violoncelli als auch die Bassgeigen in den vorgestellten Partituren zu hören waren. Für den Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf galt es, das bekannte und beliebte Fauré-Requiem in der ursprünglich reduzierten Orchesterfassung von 1889 (Carus-Verlag), leider dann aber auch ohne den rahmenden Chorsatz im Offertoire vorzustellen. Auch fehlt hier das Violinsolo im 7. Satz. Aus der spätromantischen großen Orchestrierung wurde ein kammermusikalisch zurückgenommenes, und dadurch deutlich anspruchsvolleres Klangbild geschaffen, was ausweislich der vorliegenden Aufnahme wie auch diverser Pressekritiken ganz hervorragend gelang. Fauré‘s Requiem ist –im Gegensatz zu den meisten anderen Vertonungen der Totenmesse- deutlich intimer, unaufgeregter, in seiner Tonsprache zurückhaltender. Besonders vor diesem Hintergrund erscheint die Wahl Boreyko‘s mit der 1889er Fassung sinnvoll und schlüssig. Der Chor des Musikvereins konnte einmal mehr beweisen, dass auch ein großer romantischer Oratorienchor sehr wohl in der Lage ist, subtil, tonsicher und spannungsvoll kammermusikalischen Ansprüchen gerecht zu werden. Ein Ausrufezeichen an alle diejenigen, die gerne anderes behaupten…..


Andrey Boreyko mit
Dragos Manza, Violine bei der Probe zu
Faurés Requiem


Andrey Boreyko

Als im Jahr 2004 Manfred Hill, der Vorsitzende des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf, sich Gedanken um den Nachwuchs für diesen doch sehr ambitionierten und angesehenen Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf machte, kam er auf die Idee, „einmal ganz von vorne anzufangen“, und das bedeutete: bei den Jüngsten, den Kindern. Heute, 8 Jahre später, ist die „SingPause“ europaweit ein vielbeachtetes Education-Projekt, das inzwischen mehr als 11.500 Schülerinnen und Schüler in nicht weniger als 54 Grundschulen umfasst.
In Händen halten Sie die dritte Dokumentation eines „Konzertes“, das jeweils als krönender Abschluss am Ende eines „SingPause“-Jahres in der Düsseldorfer Tonhalle vor Eltern und Förderern begeisterten Zuspruch findet. 2011 war insoweit ein ganz besonderes Jahr, als in Düsseldorf der „Eurovision-Song-Contest“ stattfand. Die „SingPause“ ließ es sich nicht nehmen als Beispiel für ein „musikalisches Düsseldorf“ im Rahmenprogramm präsent zu sein, und so trafen 3.500 singende Kinder der Klassen 3 und 4 auf ein tief beeindrucktes Publikum im Stadion von „Fortuna Düsseldorf“. Dies vorausgeschickt waren die „Künstler“ der Tonhallen-Konzerte des Jahres 2011 vorwiegend Kinder der Klassen 1 + 2. Wenn wir also in den Mitschnitt des „SingPause“-Konzertes 2011 hineinhören, hören wir in erster Linie Kinder aus der Altersgruppe
6 – 7! Auch wenn es manchmal etwas unruhiger als in den Vorjahren anmutet, die Begeisterung mit der Erfahrung gemeinsamen Singens ist durch nichts zu überbieten, sowohl bei den Kindern wie bei den zahlreichen „Erwachsenen“ Eltern, Großeltern, Freunden, Lehrern……….
Die „SingPause“ hat sich in den zurückliegenden Jahren zu einem der ganz großen integrativen musikalischen Sozialisationsprojekte Europas entwickelt. Moderator Günther Weißenborn weist zu Recht darauf hin „Alle Kinder können Noten lesen, alle Kinder können singen!“ Und das dürfte in dieser Düsseldorfer Dimension einmalig sein, auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Idee, Initiative und Durchführung maßgeblich von einer fast 200 Jahre alten, bürgerlichen Kulturinstitution ausgeht: dem Städtischen Musikverein zu Düsseldorf.

Wenn auch Sie die „SingPause“ unterstützen wollen, wenden Sie sich bitte jederzeit an: www.musikverein-duesseldorf.de oder www.singpause.de

Die Auflösung des Nachlasses eines langjährigen Chormitglieds, Frau Margret Eitel, brachte im Jahre 2011(!) ein Tonband in das Schallarchiv des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf, das große Auszüge der Generalprobe zum Konzert von Eugen Szenkar im Juni 1957 dokumentiert hat. Szenkar hat Beethovens „Chorale“ in seiner Amtszeit 1952 – 1960 dreimal aufgeführt: 18./19. Juni 1953 und mit einer zusätzlichen Wiederholung am 5. September anlässlich der Düsseldorfer Funkausstellung, 1957 in der hier vorliegenden Fassung und als sein Abschiedskonzert am 9. und 10. Juni 1960. Dazwischen liegt noch eine weitere Aufführung des Werkes, jedoch unter Georg Ludwig Jochum am 19. Juni 1959. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang die erste Konzertreise des Musikvereins nach Paris, wo unter der Leitung von Eugen Szenkar und gemeinsam mit dem französischen Rundfunkorchester sowohl die 9. als auch die „Missa solemnis“ zu einem grandiosen Erfolg wurden. Szenkar, der noch persönlich Gustav Mahler kannte, hat –so berichten Zeitzeugen- zahlreiche Retuschen und Änderungen Mahlers für seine Aufführungen u. a. auch der 9. Beethoven übernommen. Es mag sein, dass uns das zur Verfügung stehende Tonmaterial aus dem Jahre 1957 nicht im Detail diese Partiturfassung hörbar machen kann, was bleibt ist jedoch ein höchst interessantes Tondokument, das in vielerlei Hinsicht bemerkenswert „modern“ klingt. Dynamisch verlangte Szenkar fast noch größere „Intervalle“ als dies beim berühmten 2. Karajan-Zyklus (1961/62) der Fall ist. Das hat leider zur Folge, dass bei dem aufgefundenen Band –auch auf Grund des Alters und der damals zur Verfügung stehenden Technik- die Eingangstakte zum 3. Satz (Violinen) sowie das „Freude“-Motiv der tiefen Streicher im p(pp) des Presto ( 4. Satz ) kaum noch zu vernehmen sind. Trotz dieser Einschränkungen glauben wir, mit der Aufzeichnung der Generalprobe zur 9. Symphonie ein wichtiges Dokument in Sachen Beethoven-Interpretation durch Eugen Szenkar in unser Schallarchiv aufgenommen zu haben.
Das Originalband weist nur ganz wenige Unterbrechungen seitens des Dirigenten auf: im 1. Satz: keine, im zweiten Satz eine, im 3. Satz wieder keine. Lediglich das Kontrabass-/Celli-Solo im Orchester-Rezitativ eingangs des 4. Satzes lässt der Dirigent mehrfach wiederholen. Im Interesse einer geschlossenen Darstellung des Gesamtwerkes sind die genannten Unterbrechungen bei der hier vorliegenden Fassung nicht berücksichtigt worden.
In den Konzerten vom 6./7. Juni 1957 stellte Eugen Szenkar der Symphonie noch die „Coriolan“-Ouvertüre op. 62 voran.

Wenn es eine musikalisch-pädagogische Erfolgsgeschichte ohne Beispiel gibt, dann ist es die vom Städtischen Musikverein zu Düsseldorf ins Leben gerufene „SingPause“, die mittlerweile über 11.000 Grundschulkinder an 55 Schulen in Düsseldorf und Umgebung erreicht. Der inzwischen schon langjährige Moderator der Abschlusskonzerte, Günther Weißenborn weist zu Recht darauf hin, dass dank des von Manfred Hill ins Leben gerufene Education-Programms die Kinder dieses (2012) Jahres die ersten in Düsseldorf sind, die alle singen und Noten lesen können. Beeindruckend wird das hörbar, wenn man gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern sich auf eine multilinguale Weltreise begibt, so, wie es die Konzeption des diesjährigen SingPause-Konzertes vorsieht. Bernhard Klee, hoch geschätzter ehemaliger Generalmusikdirektor von Düsseldorf in den 70er und 80er Jahren, besuchte anlässlich seines Gastspiels im Jahr 2010 –eher zufällig- eines der SingPause-Tonhalle-Konzerte. Er, der selber Thomaner war, bemerkte nahezu sprachlos: „So etwas Fantastisches habe ich noch nie erlebt; Nirgendwo auf der Welt!“ Neben den unstrittigen musikalischen Aspekten ist aber besonders auf die integrativ wirkende Sozialkompetenz der an der SingPause beteiligten Kinder hin zu weisen. Besonders eine zunehmend multikulturelle Bevölkerungsstruktur –wie die in Düsseldorf- wird große Vorteile im späteren Zusammenleben der heutigen Kinder mit- und füreinander erleben. Man sollte sich nicht von der auch bei dieser Aufnahme deutlich werdenden altersbedingten Spontaneität irritieren lassen: ein ganz wesentlicher Teil des miteinander Singens ist das aufeinander Hören. Und wenn das –wie im Falle der Singpause- bereits in frühem Alter er- und gelebt wird, kann das nur für die zahllosen Begebenheiten im späteren Leben von unschätzbarem Nutzen sein.


„Eine Lieder-Reise“ SingPause-Abschlußkonzert 2012 in der Tonhalle

Zu der vorliegenden Aufnahme:
Es gibt wohl kaum einen größeren Persönlichkeitsunterschied als den zwischen den beiden großen Düsseldorfer Musikdirektoren Felix ( = Der Glückliche ) Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann. Mendelssohn hatte –im Gegensatz zu so vielen vergleichbaren Komponisten-Größen vor, mit und nach ihm- einen gesicherten, behüteten und nahezu problemlosen Familienhintergrund. Das, und sein von Freundlichkeit und Fröhlichkeit geprägtes Wesen, spürt und hört man in fast jedem der von ihm komponierten Takte. Insoweit fand er sich und sein Lebensverständnis in der rheinischen Mentalität wieder, was zahlreiche Zitate aus den uns bekannten Briefen zu seiner Düsseldorfer Zeit belegen. Hören wir in das Hauptwerk des hier dokumentierten Festkonzertes hinein, in seine 4. Symphonie, so mag die mediterrane Lebensphilosophie und die leuchtenden Farbenspiele eines Mittelmeertages dem Zuhörer entgegen klingen, aber irgendwie ist das doch auch Felix Mendelssohn Bartholdys „Rheinische“. Und die passt, wie keine andere seiner Symphonien zu Düsseldorf und seinen „freundlichen Menschen“. Viel ist geschrieben und gesagt worden über die recht kurze Amtszeit von Mendelssohn in Düsseldorf. Dafür Gründe zu finden mag auf den ersten Blick einfach sein. Gleichwohl ist sein Wechsel nach Leipzig nicht nur eine Abkehr von Düsseldorf, sondern vielmehr eine Zuwendung zum Gewandhaus, einem Mittelpunkt des europäischen Musiklebens jener Zeit. Nicht ohne Sinn ist daher seine Rückkehr zu den Musikfesten in Düsseldorf 1836, 1839 und 1842 zu bewerten. So, wie der Musikverein mit Stolz hinsichtlich seiner Gründung auf eine musikalische Bürgerinitiative verweist, muss auch die längst überfällige Wiederaufstellung des Mendelssohn-Denkmals als Beweis für eine aktive, geschichtsbewusste und kultur-verantwortliche Bürgerschaft gesehen werden. Es waren die tatkräftigen Bürger der Stadt Düsseldorf, die eine unsäglich ignorant-grausame Barbarei der Nazi-Diktatur revidiert haben. Düsseldorf hat einem seiner ganz großen Söhne den Ort des Erinnerns und der Verehrung zurückgegeben, den man so lange schmerzlicht vermissen musste. Mendelssohn hat Spuren hinterlassen, die wir bis heute im Musikleben der Stadt (und andernorts) wieder finden. Das haben besonders die der Musik zugewandten Menschen in Düsseldorf nicht vergessen. Der Ort für das Denkmal ist klug gewählt: in unmittelbarer Nachbarschaft zum Opernhaus, gleichzeitig auf dem Weg von der Oper zur Tonhalle. Fast möchte man sagen: ein Bindeglied zwischen den Musikzentren der Stadt. Gerne hätte der Chor zum Anlass der Wiederaufstellung des Düsseldorfer Mendelssohn-Denkmals mit einer glanzvollen Aufführung des „Paulus“ an die historischen Hintergründe erinnert; die Hoffnung auf eine repräsentative und musikalisch gewichtige Düsseldorfer Wiedergeburt von Mendelssohns erstem großen Oratorium in der heutigen Tonhalle bleibt!


Stamatia Karampini

Würde man das Konzertleben des Städtischen Musikvereins als Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf innerhalb der Symphoniekonzerte in der Tonhalle beschreiben, fiele einem im Jahre 2012 leicht die Metapher „Manuel-Neuer-Syndrom = Torwart beim FC Bayern München“ ein: Es gibt gefährlich wenig zu tun, doch plötzlich ist man gefragt und muss eine konzentrierte Höchstleitung bringen. So war es zuletzt bei Schumanns „Manfred“ (siehe Vol. 146), und so nun auch hier. Im Falle Peer Gynt hatte sich John Fiore in Bezug auf die gesungenen Texte sowohl bei den Solisten als auch beim Chor für das norwegische Original entschieden. Eine gute Wahl, ist doch die in weiten Teilen sehr bekannte Musik von Edvard Grieg auf eben diese Sprache komponiert worden. Der Chor des Musikvereins ist es seit Jahren gewohnt, nicht nur Werke abseits des Standard-Repertoires einzustudieren, sondern auch bekanntere Stücke fremdsprachlich zu präsentieren: neben Latein, Italienisch, Hebräisch, Englisch, Französisch, Polnisch, Altslawisch, Russisch kam nun Norwegisch hinzu.
John Fiore, seit 2009 Opernchef in Oslo, wurde von Chor und Orchester schon bei den ersten Proben mit großer Warmherzigkeit und „offenen Armen“ empfangen, sicher auch ein Zeichen angenehmer Erinnerung an die gemeinsam erlebten und gelebten Zeiten als Düsseldorfer Musikchef in den Jahren 2000 – 2008. Auch das Publikum nahm die von Elisabeth von Leliwa eingerichtete Konzertfassung des Henrik-Ibsen-Bühnenwerks mit dankbarem Applaus auf, war es doch für das Konzertleben der Rheinstadt eine erstmalige Begegnung. Bemerkenswert ist die absolute Ruhe im Saal, die für eine gebannte Aufmerksamkeit unter den Zuhörern spricht. In Johann von Bülow –nach seiner beeindruckenden Darstellung des „Manfred“- erneut einen hoch kompetenten Interpreten der Titelfigur gefunden zu haben, darf man als ausgesprochenen Glücksfall bezeichnen.
Festzustellen bleibt, dass auch in Zukunft der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf „eine Lanze für Außergewöhnliches“ brechen will und wird, selbst wenn eine derartige Ausrichtung für die Beteiligten nicht immer der einfachste Weg ist…


John Fiore im Oktober 2012 in Düsseldorf


Peer Gynt: Chor und Orchester