Unbeschadet der weltweiten Mahler-Renaissance seit den 60er Jahren des XX. Jahrhunderts macht es doch etwas Staunen, dass Mahlers Jugendwerk „Das klagende Lied“ erst 1984 unter Heinz Wallberg (siehe Schallarchiv Vol. 86) in Düsseldorf zu hören war, dann allerdings gleich in der inhaltlich schlüssigeren 3-teiligen Fassung. Der Chor des Städtischen Musikvereins hat das Werk in der Folge vielfach im In- und Ausland vorgestellt, teilweise für Veranstalter wie Publikum als absolute „Neuentdeckung“. Fast fühlt man sich an die zahlreichen Fassungen der Bruckner-Symphonien erinnert, wenn man den „Leidensweg“ von Mahlers Opus 1 nachvollzieht. In diesem Zusammenhang verweisen wir gerne auf eine äußerst lesenswerte und aufschlussreiche Arbeit des langjährigen Musikvereins-Mitglieds Erich Gelf in der „Neuen Chorszene“ Nr. 14, I/11. Hier wird auf die „Erstfassung in drei Sätzen von 1880“ hingewiesen, die in gedruckter Form 1997 von der Universal-Edition, Wien herausgegeben wurde. Die danach entstandene CD-Produktion unter Kent Nagano (10.1997) aus Manchester gilt fortan als legitimes „Master“. Düsseldorf 2011 beruft sich zwar auf dieses „Vorbild“, reduziert dann aber doch auf das „pragmatisch Machbare“, indem man die 14 (!) Solisten in den kleineren Partien chorisch besetzt, womit sich die Gesangssoli auf 6 (incl. der beiden Knabenstimmen) reduzieren.
Mahlers gigantomanische Urfassung (6 Harfen!) bleibt also weiterhin ungehört. Was wir erleben können ist ein „Klagendes Lied“, das uns mit jeder Note Hochachtung vor den musikalischen Grundgedanken eines Teenagers abverlangt. Hoffen wir, dass –wie in der Folge von 1984- der Chor des Musikvereins erneut gefragt wird, dieses wichtige Werk der Mahler-Literatur auch andernorts zu interpretieren. Die sehr schöne Zusammenarbeit mit Martyn Brabbins jedenfalls machte allen Beteiligten „Lust auf mehr….“

Martyn Brabbins

Das grauenvolle Erdbeben vom 11. März 2011, die darauf folgende Zunami-Welle und ein dadurch ausgelöster Kernreaktorunfall haben in Japan nicht nur zehntausende Menschen obdachlos gemacht, sondern forderten über 20.000 direkte Tote, ganz zu schweigen von den Unzähligen, die in Folge der radioaktiven Verseuchung weiter Landstriche, der Luft und des Meerwassers bis in weiter Zukunft noch ihr Leben verlieren werden.

Unter der gemeinsamen Schirmherrschaft vom Düsseldorfer Oberbürgermeister Dirk Elbers und dem japanischen Generalkonsul, Kiyoshi Koinuma, fand am Samstag, dem 26. März in der Tonhalle ein Solidaritätskonzert statt. Die Düsseldorfer Symphoniker sahen in diesem Projekt gemeinsam mit der Stadt Düsseldorf und der japanischen Gemeinde ein Zeichen für Mut, Zuversicht und Solidarität; sie wollten der engen, vertrauensvollen und tiefen Bindung zwischen Düsseldorf und Japan Ausdruck verleihen. Dabei spielten die Düsseldorfer Symphoniker gemeinsam mit dem WDR Sinfonieorchester Köln (das auf Einladung der Symphoniker das halbe Orchester stellte), dem Chor des Städtischen Musikvereins, dem WDR Rundfunkchor Köln und einem hochkarätigen Solistenquartett unter der Leitung des japanischen Stardirigenten Yutaka Sado. Düsseldorfs Tonhalle erlebte eine musikalische und menschliche Sternstunde. Die unmittelbar nach dem Schlussakkord durch Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers vor dem Konzert erbetene Schweigeminute aller Künstler und der gesamten Zuhörerschaft ließ ahnen, in welch inniger Weise die Düsseldorfer mit ihren japanischen Mitbürgern verbunden sind. Im Vordergrund stand somit kein Trauerkonzert, sondern, wie Sado es formulierte ein "Mut- und Kraftkonzert", weshalb Ludwig van Beethovens Neunte Symphonie auf dem Programm stand, ein Werk, das in Japan einen ganz außergewöhnlichen Stellenwert hat. Es sollte Gelegenheit gegeben werden, für eine Stunde inne zu halten und die Gedanken, Wünsche und Hoffnungen auf Japan und die leidtragende Bevölkerung des Landes zu richten. Der Städtische Musikverein zu Düsseldorf hat –wie auch unser Orchester- seit Jahrzehnten zahlreiche Mitglieder aus einer der europaweit größten, in unserer Stadt fest eingebundenen japanischen Community begrüßen dürfen. Unsere japanischen Freunde sind immer eine liebenswerte und engagierte Bereicherung für den Chor gewesen. In besonderer Weise gehen daher die Gedanken, Sorgen, aber auch unsere aufrichtigen Wünsche für die Zukunft an sie und ihre Lieben. Möge die Botschaft, die aus der Musik Beethovens und den Worten Schillers spricht –gemeinsam erlebt und empfunden- in diesen schweren Tagen ein wenig über die Unvorstellbarkeit der Katastrophe in Japan hinweg helfen!


Oberbürgermeister Dirk Elbers und der japanische Generalkonsul Kiyoshi Koinuma

Ein Blick in die Aufführungschronik des Städtischen Musikvereins zeigt, dass eine gewisse Kleinteiligkeit in den Programmen der Düsseldorfer Symphoniker zunehmend feststellbar ist. Das muss nicht von Nachteil sein, da sich auf diese Weise Werke dem Chor erschließen, die ansonsten kaum im Repertoire des Musikvereins zu finden waren, zumindest nicht in der Zeit nach 1900. Beethovens Chorfantasie op. 80 zum Beispiel bietet dem Chor lediglich etwas mehr als 4 Minuten. Gleichzeitig aber wird insofern ein hoher Anspruch gestellt, als die Aufmerksamkeit der Sängerinnen und Sänger auf höchstem Niveau zu halten ist. Und das gilt umso mehr, wenn –wie bei dem vorliegenden Beispiel- das Stück vom Solo-Klavier aus geleitet wird. Rudolf Buchbinder, einer, wenn nicht der bedeutendste Beethoveninterpret des 20./21. Jahrhunderts („FAZ“), konnte sich bei seinen Gastkonzerten im Dezember 2011 sowohl auf das Orchester wie auch den Chor „blind“ verlassen. Von allen Musikern hörte man dann auch nach dem Konzert, dass diese kammermusikalische Art des miteinander Musizierens ein völlig neues „Aufeinanderhören“ voraussetzt. Das wiederum ist sowohl dem Spiel des Orchesters als auch dem Klang des Chores deutlich anzumerken.
Buchbinder hatte in sein Programm ausschließlich Werke der Wiener Klassik aufgenommen: zunächst das Mozart-Konzert KV 466, nach der Pause das Haydn-Konzert D-Dur Hob. XVIII:II und zum Schluss die Chorfantasie op. 80 von Beethoven. Obwohl der Chor nicht daran beteiligt ist, haben wir in unsere Dokumentation das Mozart-Konzert zusätzlich aufgenommen, da es sich um ein beeindruckendes Beispiel des oben geschilderten harmonischen Zusammenspiels unserer Symphoniker, angeführt von souverän leitenden Konzertmeistern, mit einem großartigen Solisten handelt.
Ergänzend sind 6 Liebesliederwalzer op. 52 von Johannes Brahms angefügt, die der Komponist selber für (kleines) Orchester instrumentiert hat. Es ist in den letzten Jahren zu einer schönen Tradition geworden, dass der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf in die Programmplanung des Neujahrskonzertes der Tonhalle mit einbezogen wird; so war es auch am 1. Januar 2011 unter der Leitung von Gregor Bühl.


Rudolf Buchbinder bei der Probe am 8.12.2011

Wollte man ein geflügeltes Wort aus dem Osten Deutschlands der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts übernehmen, würde man sagen können „Wir sind der Chor!“ Schwellenangst ist eines der größten Hindernisse, mit denen der klassische Konzertbetrieb seit jeher zu kämpfen hat. Eine solche Barriere abzubauen war ein wichtiger Grund für das hier dokumentierte Konzertevent. Der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf hatte erstmals in seiner Geschichte ein derart breit angelegtes „Mitsingprojekt“ angeboten. Dieses Vorhaben gliederte sich in zwei Teile: zunächst bot der Chor an, sich zwanglos in die Probenarbeit zu Carl Orffs Carmina Burana, einem der populärsten Stücke der Orchester-Chor-Literatur, einzugliedern. Zur Überraschung nicht weniger fanden sich am Ende der Probenarbeit 40 neue Sängerinnen und Sänger auf der Bühne der Tonhalle wieder. Der Musikvereinschor hatte damit rein zahlenmäßig wieder eine Konzertstärke von über 180 (!) was dem Stand von 1978, dem Jahr der Tonhalleneröffnung entsprach. Das musikalisch wie menschliche Ergebnis war über die Maßen zufriedenstellen, und zwar sowohl für die Mitwirkenden wie später dann für die Zuhörer des „fertigen“ Konzertes.

Der zweite Aspekt war das Experiment, die Trennungslinie zwischen Konzertbesuchern und Ausführenden zu durchbrechen. Hierfür stand der erste Teil des außergewöhnlichen Konzertabends zur Verfügung. Die Chordirektorin des Städtischen Musikvereins, Marieddy Rossetto, griff auf ein bewährtes „Credo“ der „SingPause“ zurück: Jeder kann singen! Das zu beweisen ist ihr –wie nachzuhören ist- eindrücklich gelungen. Und noch etwas: Der Abend zeigte beeindruckend auf, wie es zu dem kommen kann, was der Konzertbesucher als „fertiges Produkt“ genießen darf. Die Verbindung von eigenem Erleben, Gestalten, Produzieren hin zum Konzerterlebnis der Carmina Burana im zweiten Teil des Abends gab den Menschen in der Tonhalle völlig andere Gefühle und Erkenntnisse mit auf den Heimweg, als dies wohl bei einem „gewöhnlichen“ Konzertbesuch der Fall gewesen wäre.

Jedenfalls konnten sich bis dato die Verantwortlichen des Städtischen Musikvereins keine effektivere Sympathie- und Mitgliederwerbung vorstellen. Schon dafür hat es sich mehr als gelohnt!


Leslie Suganandarajah

Würde man das Konzertleben des Städtischen Musikvereins als Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf innerhalb der Symphoniekonzerte in der Tonhalle beschreiben, fiele einem im Jahre 2012 leicht die Metapher „Manuel-Neuer-Syndrom = Torwart beim FC Bayern München“ ein: Es gibt gefährlich wenig zu tun, doch plötzlich ist man gefragt und muss eine konzentrierte Höchstleitung bringen. So war es zuletzt bei Schumanns „Manfred“ (siehe Vol. 146), und so nun auch hier. Im Falle Peer Gynt hatte sich John Fiore in Bezug auf die gesungenen Texte sowohl bei den Solisten als auch beim Chor für das norwegische Original entschieden. Eine gute Wahl, ist doch die in weiten Teilen sehr bekannte Musik von Edvard Grieg auf eben diese Sprache komponiert worden. Der Chor des Musikvereins ist es seit Jahren gewohnt, nicht nur Werke abseits des Standard-Repertoires einzustudieren, sondern auch bekanntere Stücke fremdsprachlich zu präsentieren: neben Latein, Italienisch, Hebräisch, Englisch, Französisch, Polnisch, Altslawisch, Russisch kam nun Norwegisch hinzu.
John Fiore, seit 2009 Opernchef in Oslo, wurde von Chor und Orchester schon bei den ersten Proben mit großer Warmherzigkeit und „offenen Armen“ empfangen, sicher auch ein Zeichen angenehmer Erinnerung an die gemeinsam erlebten und gelebten Zeiten als Düsseldorfer Musikchef in den Jahren 2000 – 2008. Auch das Publikum nahm die von Elisabeth von Leliwa eingerichtete Konzertfassung des Henrik-Ibsen-Bühnenwerks mit dankbarem Applaus auf, war es doch für das Konzertleben der Rheinstadt eine erstmalige Begegnung. Bemerkenswert ist die absolute Ruhe im Saal, die für eine gebannte Aufmerksamkeit unter den Zuhörern spricht. In Johann von Bülow –nach seiner beeindruckenden Darstellung des „Manfred“- erneut einen hoch kompetenten Interpreten der Titelfigur gefunden zu haben, darf man als ausgesprochenen Glücksfall bezeichnen.
Festzustellen bleibt, dass auch in Zukunft der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf „eine Lanze für Außergewöhnliches“ brechen will und wird, selbst wenn eine derartige Ausrichtung für die Beteiligten nicht immer der einfachste Weg ist…


John Fiore im Oktober 2012 in Düsseldorf


Peer Gynt: Chor und Orchester

Mehrfach ist schon darauf hin gewiesen worden, dass der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf nicht nur zu den leistungsstärksten Konzertchören Deutschlands zählt, sondern, dass die Auswahl der von ihm interpretierten Werke weit über das hinaus geht, was man landläufig als „Standardrepertoire“ bezeichnen könnte. Die zeitgenössische Musik spielt dabei eine herausragende Rolle, auch was den Anspruch an Sänger und Zuhörer gleichermaßen anbelangt. Komponisten wie Jürg Baur, Manfred Trojan, Peter Ruzicka, Edison Denissow, Olivier Messiaen, Krzysztof Penderecki oder „Klassiker“ wie Bernstein, Schönberg, Strawinsky finden sich in der Konzertchronik des Chores nach dem 2. Weltkrieg immer wieder. Ein Chor, der –wie der Musikverein- eingebunden ist in die Programmgestaltung von 12 Symphoniekonzerten der Düsseldorfer Symphoniker pro Spielzeit, wird sich einer solchen Aufgabenstellung kaum entziehen können. Bernhard Klee hat einmal gesagt „Ich will Euch fördern durch Fordern!“ Das trifft natürlich auch auf ein Stück wie die hier vorliegende 4. Symphonie von Oskar Gottlieb Blarr zu, der als herausragende Persönlichkeit des Düsseldorfer Musiklebens mit diesem Werk erstmals seinen Namen in die Chronik des Städtischen Musikvereins einträgt. Zugegeben, schon 1969 begegnen wir Oskar Gottlieb Blarr, allerdings in der Funktion des Produzenten für die erste LP-Produktion des Musikvereins („Jazz-Messe 1966“ von Hermann Gehlen -siehe Vol. 0 des Schallarchivs-).

Die aufopfernde Arbeit von Chorleiterin, Sängerinnen und Sängern hat sich gelohnt: nach dem zweiten Konzert kam der Komponist voll des Lobes zum Chor um sich zu bedanken: “Sie waren wunderbar! Ein großes Kompliment und ein Dankeschön an Sie alle! Und wenn ich mir etwas wünschen darf, dann ist es, von Ihnen die ‚Missa solemnis‘ von Beethoven zu hören!“ Ein größeres Lob von einem Musiker kann man sich schwerlich vorstellen, zeigt es doch den musikalischen Kompetenzrahmen, der dem Chor zugemessen wird, und den in so selbstloser Form kaum ein Komponist unserer Tage auszusprechen im Stande ist.

Der Städtische Musikverein zu Düsseldorf ist ausgesprochen dankbar für die Vergabe dieser Auftragskomposition durch die Tonhalle Düsseldorf; dankbar auch für die Tatsache, dass Deutschlandradio Kultur die Uraufführung bundesweit übertragen hat. Eine mediale Unterstützung in dieser Form hilft nicht nur dem Werk und den Ausführenden, es wird gleichzeitig auf die musikalische Vielfalt einer Stadt wie Düsseldorf nachdrücklich hingewiesen.

Und das hilft in erster Linie Einem: der Musikstadt Düsseldorf!


Oskar Gottlieb Blarr
bei einem Einführungsvortrag zu seiner Komposition für den Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf

Konzerte des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf in den benachbarten Niederlanden haben für den Konzertchor der Landeshauptstadt seit je einen besonderen Stellenwert. Das mag mit der außermusikalischen Vergangenheit zusammenhängen, kann aber ebenso einem nicht zu leugnenden Mentalitätsunterschied zu schulden sein. Anlass für das Gastspiel des Chores gleich zu Anfang des Jahres 2012 war der traditionelle „Komponistentag“ im „Theater aan het Vrijthof“, Maastricht, der Heimat des „Limburgs Symfonie Orkest“. Antonin Dvorak war der Komponist des Jahres 2012, und der langjährige Chefdirigent des Orchesters, Ed Spanjaard, hatte sich das wohl populärste chorsymphonische Werk des Böhmen (Tschechen), sein „Stabat Mater“ ausgesucht. Der Chor hatte bereits 2010 bei einem Gastspiel gemeinsam mit dem Orchestre Philharmonique Royal de Liège unter John Neschling (siehe Vol. 141) mit der 2. Symphonie von Gustav Mahler eine ausgezeichnete Visitenkarte hinterlassen. Das „Stabat Mater“ von Dvorak bietet nun einem großen Konzertchor ungleich mehr Möglichkeiten der Präsentation und differenzierten Interpretation. Das wurde bei zahlreichen Kommentaren und Gesprächen nach der Aufführung in geradezu überschwänglicher Weise bekundet. Derart positive Beurteilungen konnte man dann nicht nur von den Zuhörern, sondern auch von den beteiligten Musikern und Solisten hören. Besonders aber der Dirigent Ed Spanjaard bezeichnete die Leistung des Chores und die differenziert–subtile Einstudierung durch Marieddy Rossetto als „in höchstem Maße emotional engagiert und professionell im Klang“. Für Orchester, Solisten und Dirigent war dies eine erste Begegnung mit dem Werk; der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf konnte dagegen bereits auf Konzerte unter Bernhard Klee und Heinrich Schiff in seiner Heimatstadt verweisen. Aus Anlass einer Konzertreise war Dvoraks op. 58 in Maastricht jedoch auch für den weitgereisten Chor eine Premiere, die der örtliche Rundfunksender -höchst einfühlsam- dankenswerter Weise aufgezeichnet hat.
Eine in vieler Hinsicht wichtige Reise mit einem ganz außergewöhnlichen musikalischen Ergebnis!

Ed Spanjaard bei der Klavierprobe in Düsseldorf mit Marieddy Rossetto und Reinhard Kaufmann

Es ist der Ruf der „Unaufführbarkeit“, der dem „Manfred“ von Lord Byron und Robert Schumann vorauseilt, und –abgesehen von der Ouvertüre- so selten eine künstlerische Realisation wie Begegnung möglich macht. Düsseldorf, als Schumann-Stadt bekannt, stellte eine völlig neue Sichtweise ins Zentrum des Schumann-Jahrs 2010: die visuelle Umsetzung durch den Video-Künstler Johannes Deutsch. Dieses Unterfangen fand insoweit zusätzliche internationale Beachtung, als sowohl das ZDF als auch das Klassik-DVD-Label „ARTHAUS“ das höchst aufwendige Multimedia-Projekt in alle Welt verbreiteten.

Aber auch die Beschränkung auf das reine Hörerlebnis scheint es uns wert, diese Produktion in das Schallarchiv des Musikvereins aufzunehmen. Der Manfred von 2010 ist im Gegensatz zum gleichen Werk unter der Leitung von John Fiore und mit Klaus Maria Brandauer (siehe Vol. 74) aus dem Jahre 2006 nicht nur theaternäher, sondern auch um einiges vollständiger und dem Text von Lord Byron in der Fassung von Karl Adolf Suckow engstens verpflichtet. Chor wie auch Orchester hatten sich in der Tonhalle den Vorgaben der visuellen Darstellung deutlich unterzuordnen, wobei der Chor sich auf dem Rang links und rechts einer großen Projektionsfläche aufteilte: jeweils mit allen Stimmgruppen. Probentechnisch wie klang-organisatorisch bedeutete das eine von der üblichen Aufstellung in erheblicher Weise abweichende Herausforderung. Die Hintergrundgeräusche, die man beim genauen Hinhören immer dann wahrnimmt, wenn Orchester und Chor den vollen Klangraum beanspruchen, erklären sich aus den Lüftern der Beamer, die im ganzen Saal verteilt die Bildkunst von Johannes Deutsch projizierten: das Innenleben Manfreds, seine Umgebung und Visionen. Sänger wie Sprecher blieben nahezu unsichtbar.
Die Resonanz auf dieses Experiment war einhellig positiv; Nicht wenige Stimmen sagten später: “Man kann das Stück eigentlich nur so machen!“
Eine größere Anerkennung ist wohl kaum denkbar…


Andrey Boreyko und Marieddy Rossetto

Die Auflösung des Nachlasses eines langjährigen Chormitglieds, Frau Margret Eitel, brachte im Jahre 2011(!) ein Tonband in das Schallarchiv des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf, das große Auszüge der Generalprobe zum Konzert von Eugen Szenkar im Juni 1957 dokumentiert hat. Szenkar hat Beethovens „Chorale“ in seiner Amtszeit 1952 – 1960 dreimal aufgeführt: 18./19. Juni 1953 und mit einer zusätzlichen Wiederholung am 5. September anlässlich der Düsseldorfer Funkausstellung, 1957 in der hier vorliegenden Fassung und als sein Abschiedskonzert am 9. und 10. Juni 1960. Dazwischen liegt noch eine weitere Aufführung des Werkes, jedoch unter Georg Ludwig Jochum am 19. Juni 1959. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang die erste Konzertreise des Musikvereins nach Paris, wo unter der Leitung von Eugen Szenkar und gemeinsam mit dem französischen Rundfunkorchester sowohl die 9. als auch die „Missa solemnis“ zu einem grandiosen Erfolg wurden. Szenkar, der noch persönlich Gustav Mahler kannte, hat –so berichten Zeitzeugen- zahlreiche Retuschen und Änderungen Mahlers für seine Aufführungen u. a. auch der 9. Beethoven übernommen. Es mag sein, dass uns das zur Verfügung stehende Tonmaterial aus dem Jahre 1957 nicht im Detail diese Partiturfassung hörbar machen kann, was bleibt ist jedoch ein höchst interessantes Tondokument, das in vielerlei Hinsicht bemerkenswert „modern“ klingt. Dynamisch verlangte Szenkar fast noch größere „Intervalle“ als dies beim berühmten 2. Karajan-Zyklus (1961/62) der Fall ist. Das hat leider zur Folge, dass bei dem aufgefundenen Band –auch auf Grund des Alters und der damals zur Verfügung stehenden Technik- die Eingangstakte zum 3. Satz (Violinen) sowie das „Freude“-Motiv der tiefen Streicher im p(pp) des Presto ( 4. Satz ) kaum noch zu vernehmen sind. Trotz dieser Einschränkungen glauben wir, mit der Aufzeichnung der Generalprobe zur 9. Symphonie ein wichtiges Dokument in Sachen Beethoven-Interpretation durch Eugen Szenkar in unser Schallarchiv aufgenommen zu haben.
Das Originalband weist nur ganz wenige Unterbrechungen seitens des Dirigenten auf: im 1. Satz: keine, im zweiten Satz eine, im 3. Satz wieder keine. Lediglich das Kontrabass-/Celli-Solo im Orchester-Rezitativ eingangs des 4. Satzes lässt der Dirigent mehrfach wiederholen. Im Interesse einer geschlossenen Darstellung des Gesamtwerkes sind die genannten Unterbrechungen bei der hier vorliegenden Fassung nicht berücksichtigt worden.
In den Konzerten vom 6./7. Juni 1957 stellte Eugen Szenkar der Symphonie noch die „Coriolan“-Ouvertüre op. 62 voran.

Als im Jahr 2004 Manfred Hill, der Vorsitzende des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf, sich Gedanken um den Nachwuchs für diesen doch sehr ambitionierten und angesehenen Konzertchor der Landeshauptstadt Düsseldorf machte, kam er auf die Idee, „einmal ganz von vorne anzufangen“, und das bedeutete: bei den Jüngsten, den Kindern. Heute, 8 Jahre später, ist die „SingPause“ europaweit ein vielbeachtetes Education-Projekt, das inzwischen mehr als 11.500 Schülerinnen und Schüler in nicht weniger als 54 Grundschulen umfasst.
In Händen halten Sie die dritte Dokumentation eines „Konzertes“, das jeweils als krönender Abschluss am Ende eines „SingPause“-Jahres in der Düsseldorfer Tonhalle vor Eltern und Förderern begeisterten Zuspruch findet. 2011 war insoweit ein ganz besonderes Jahr, als in Düsseldorf der „Eurovision-Song-Contest“ stattfand. Die „SingPause“ ließ es sich nicht nehmen als Beispiel für ein „musikalisches Düsseldorf“ im Rahmenprogramm präsent zu sein, und so trafen 3.500 singende Kinder der Klassen 3 und 4 auf ein tief beeindrucktes Publikum im Stadion von „Fortuna Düsseldorf“. Dies vorausgeschickt waren die „Künstler“ der Tonhallen-Konzerte des Jahres 2011 vorwiegend Kinder der Klassen 1 + 2. Wenn wir also in den Mitschnitt des „SingPause“-Konzertes 2011 hineinhören, hören wir in erster Linie Kinder aus der Altersgruppe
6 – 7! Auch wenn es manchmal etwas unruhiger als in den Vorjahren anmutet, die Begeisterung mit der Erfahrung gemeinsamen Singens ist durch nichts zu überbieten, sowohl bei den Kindern wie bei den zahlreichen „Erwachsenen“ Eltern, Großeltern, Freunden, Lehrern……….
Die „SingPause“ hat sich in den zurückliegenden Jahren zu einem der ganz großen integrativen musikalischen Sozialisationsprojekte Europas entwickelt. Moderator Günther Weißenborn weist zu Recht darauf hin „Alle Kinder können Noten lesen, alle Kinder können singen!“ Und das dürfte in dieser Düsseldorfer Dimension einmalig sein, auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Idee, Initiative und Durchführung maßgeblich von einer fast 200 Jahre alten, bürgerlichen Kulturinstitution ausgeht: dem Städtischen Musikverein zu Düsseldorf.

Wenn auch Sie die „SingPause“ unterstützen wollen, wenden Sie sich bitte jederzeit an: www.musikverein-duesseldorf.de oder www.singpause.de