Am 27. April war die Aula des Humboldt-Gymnasiums in Düsseldorf-Pempelfort wieder Ort einer besonderen Probe. Die sich hier vormittags zum Unterricht versammelnden Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 10 trafen sich mit Gleichaltrigen aus dem Görres-Gymnasium von der Kö und den Sängerinnen und Sängern des Städtischen Musikvereins und vereinigten sich zu einem großen Chor zur Vorbereitung eines besonderen Konzertes: Die Tonhalle und ihr Freundeskreis, die Düsseldorfer Symphoniker und Solisten sowie dieser neue Chor führen unter der Leitung von Ádám Fischer am 7. Mai 2023 das berühmte „Requiem“ von Wolfgang Amadeus Mozart auf. Zum 8. Mal findet das vom Chefdirigenten des Hauses angeregte Menschenrechtskonzert statt, bei dem der mit 10.000 € dotierte Preis in diesem Jahr der iranischen Aktivistin und Feministin Sanaz Azimipour zuerkannt wird. (Siehe den Bericht der Rheinischen Post)
Prof. Dennis Hansel-Dinar, der den Musikvereins-Chor seit 2020 leitet, und dessen Vorsitzender Stefan Schwarze hatten die Idee, auch junge Menschen an die inhaltliche Thematik dieses Konzertes für Menschenrechte heranzuführen, sie mit der Not der vom Unrecht Betroffenen zu konfrontieren, sie von der Einsatzbereitschaft der ausgezeichneten Person zu begeistern und sie darüber zu einem eigenen Beitrag zu animieren. Dieses Anliegen kann der Chorleiter Dennis Hansel-Dinar – auch in Fortsetzung des Musikvereinsprojektes „SingPause“ an den Düsseldorfer Grundschulen - mit dem ihm eigenen Mittel der Musik vermitteln, leitet er doch eine Kooperation zwischen der Robert Schumann Hochschule und dem Humboldt-Gymnasium, in deren Rahmen er dort die Singklassen betreut. Die positiven Erfahrungen, Jung und Alt zu einem neuen Chor zusammen zu fügen, hatte er bereits vor einigen Jahren gesammelt, als er mit seinen Klassen Teile aus Bachs „Weihnachtsoratorium“ und das „Hallelujah“ aus dem Händel-Messias einstudierte und das Weihnachtskonzert beim Rundfunkchor in Köln mitgestalten durfte.
„Die Kinder, das war eine 6. Klasse,“ - so erinnert sich der Musik- und Freudevermittler, - „hatten einen Riesenspaß. Und am Ende war ihnen egal, ob das Händel oder Bach oder Michael Jackson war. Die haben die Musik erlebt und sich davon begeistern lassen, völlig unabhängig vom Genre. Ich bin sicher, dass es viele Möglichkeiten gibt, Jugendliche für klassische Musik zu begeistern. Die Herausforderung besteht darin, sie dazu zu führen, dass sie sich erstmal darauf einlassen und es ausprobieren.“
Um einen hinreichend großen Schulchor für das Projekt „Mozart-Requiem“ zusammenzustellen, war - in Zusammenarbeit mit dem Deutschen und dem Düsseldorfer Chorverband - schnell der Kontakt zu einem zweiten Düsseldorfer Gymnasium mit traditionellem Musikschwerpunkt hergestellt: Etwa 80 Jugendliche bilden so mit dem Erwachsenenchor ein 150 Mitglieder starkes Ensemble! Auch die Verantwortlichen der Tonhalle und Adam Fischer selbst vom Sinn und Erfolg eines solchen in vielfacher Hinsicht fruchtbaren Projektes zu überzeugen, war von zustimmender Beflügelung begleitet.
Diesmal also geht es um ein Werk mit lateinischem Text! Wie ist es da um das Inhaltsverständnis der Komposition bestellt? Die Vertrautheit mit liturgischen Texten in lateinischer Sprache ist nicht erst unter den heutigen Jugendlichen verloren gegangen, selbst wenn sie humanistisch ambitionierte Gymnasien besuchen. Was also bedeutet „Requiem aeternam dona eis, Domine“, das die liturgische Form einer Totenmesse einleitet? Was bedeutet der Fortissimo-Ausruf „Confutatis maledictis“, mit dem die Männerstimmen die aufmerksame, wenn auch leicht verstörte junge Zuhörerschaft aus der Proben-Stille reißt? Der helfende Chorleiter unterbricht und erklärt es ihnen. Mit seinen Worten und einer zu diesem Zweck angefertigten kindgerechten Übertragung ins Deutsche Vokabular stillt er die Neugierde der „neuen“ Generation - auch die der „alten“, die das Werk schon zigmal gesungen hat - und erklärt, warum „übelredende Spötter zum Schweigen gebracht werden“.
Wird es gelingen, dieses Miteina
nder? Ja, denn beide Seiten sind - zunächst getrennt - gut vorbereitet, der Musikverein im Probensaal der Tonhalle, die Schülerinnen und Schüler an ihren Schulen, und dann trauen - sich begleitet von ihrem Musiklehrer - erste Schüler-Stimmen zur gemeinsamen Abendprobe mit den Erwachsenen in die Tonhalle! Noch einmal Ja, denn es wird niemand mit der Bewältigung von schnellen Fugen überfordert, mit denen selbst Leipziger Thomaner ihre Schwierigkeiten hätten. Aber die Themenköpfe der „Kyrie-“ oder „Cum-sanctis-Fuge“ und deren pünktliche Einsätze sind - den Gesamtklang eindrücklich stützend - trainiert und sind gekonnt wie das Eingangs-Kyrie, das Lacrimosa, das Agnus dei oder andere weniger „aufregende“ Sätze.
Wir alle sind gespannt, wie es bei den letzten Proben in der Tonhalle zugeht: am kommenden Freitag (5.6.), wenn sich Adam Fischer bei der Klavierprobe einen ersten akustischen Eindruck verschafft, wenn tags darauf am Samstagmorgen das Orchester mit dem „neuen“ Chor zusammen probt, und - noch am gleichen Abend - mit allen Solisten die Generalprobe stattfindet! So vorbereitet kann am Sonntagabend beim Menschenrechtskonzert in der Tonhalle nichts mehr schief gehen!