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Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V. gegr. 1818

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Die „kleinere“ Bühne war wieder ganz groß – Musical in St. Margareta

Unsere Sopranistin Friederike Betz hat während ihrer künstlerischen Laufbahn als Choreografin und Regisseurin auf großen Bühnen ihre kreativen Spuren hinterlassen und schenkt jetzt - als Lehrerin – ihre reichen Erfahrungen und ihre Begeisterung vielen Kindern und Jugendlichen in ihrer Schule, ihrem Chor, aber auch in anderen Bildungseinrichtungen und Kirchgemeinden. Ihre Inszenierung des für Kinder und Jugendliche geschriebenen Musicals „JAHWE IST MEIN GOTT“, dessen Akteure sich Ende März 2023 über drei ausverkaufte und enthusiastisch gefeierte Vorstellungen im Stiftssaal St. Margareta in Düsseldorf Gerresheim freuen durften, ist nicht ihre erste künstlerische Arbeit dieser Art.

Der Artikel „Es muss nicht die große Bühne sein“, der seit November 2022 auf dieser homepage des Musikvereins zu finden ist, stellt unsere „Sangesschwester“ Friederike bereits umfangreich vor und würdigt ihr künstlerisch-professionelles Engagement, bei dem sich zwar die Spielorte, die Zuschauerzahlen und auch der Altersdurchschnitt der DarstellerInnen „verkleinern“, die aber eine unverändert hohe Wertschätzung verdienen, weil sie im wahrsten Sinne eine Investition in die Zukunft sind. Das meint sowohl den nachhaltigen Beitrag zur ästhetischen Bildung, zur Erfahrung künstlerischer Phantasie und Verantwortung als auch die Teilhabe junger Menschen an der Präsentation moralischer Werte, denen nachzudenken und nachzuleben sich lohnt.

 

ELIAS – JAHWE IST MEIN GOTT

ist ein Musical, das Maximilian und Klaus Wallrath nach der alttestamentarischen Geschichte über den Propheten Elias mit einen konzentrierten und auf „heutige“ Weise erzählten Text von Dr. Ronald Klein komponiert haben.

Um die zweite Aufführung erleben zu können, treffen – auf der Flucht vor dem einsetzenden Regen – viele Zuschauer schon weit vor der Einlasszeit ein. Als sich dann die schwarzen Wolkenschleusen öffnen, müssen sich die Unbeschirmten in die bereits dicht gefüllten Kolonaden unter dem Stiftssaal drängen. Sie erleben die paradoxe Situation, dass vor einem Musical, in dem der Regen als göttlicher Segen erfleht wird, die reale Nässe von oben nicht gerade auf der Wunschliste geduldig Wartender steht.

Photo credit: Karl-Hans Möller

Dass es in „Elias – Jahwe ist mein Gott“ um das Phänomen der Extremdürre geht, erkennt man bereits vor dem Beginn der Vorstellung durch einen Blick auf die von Bernadette Färber gestaltete Bühne, deren Prospekt eine ausgedörrte Landschaft mit einem einsam aus dem trocken verkrusteten Boden ragenden Götzenkultpfahl zu einem lebensfeindlichen Ort werden lässt. Neben der Spielfläche nehmen die Kinder der Chorschule St. Margareta und die Jugendkantorei dieser Gerresheimer Kirche auf einem Stufenpodium Aufstellung. Vor den Chören sitzen sechs professionelle Musiker (tp, tb, sax, p, b und dr), die unter Leitung des Komponisten die Chöre und Solisten führen und begleiten

Der Aufführung kann das Attribut, etwas Einzigartiges zu sein, nicht verliehen werden, aber das ist etwas, über das man sich nur freuen kann und den Initiatoren gratulieren darf. Wenn zur Begrüßung der Kantor und Chorleiter der Basilika St. Margareta seiner großen Freude freien Lauf lässt, dass nach Jahren der Pandemiepause WIEDER eine Aufführung dieses Genres möglich ist, dann weiß man, dass nicht nur in Gerresheim die Kirche zum Ort einer im wahrsten Sinne musikdramatischen Inszenierung geworden ist. Musicals und Singspiele, die sich mit modernen Melodien und Rhythmen den Historien der Heiligen Schrift oder der ihr folgenden Mythen nähern, sind in Düsseldorf nicht neu und in St. Margareta bereits des öfteren entstanden. Es ist eine Tradition, die möglich wurde, weil auch Kirchenmusiker die Chance nutzen, für junge Menschen gut singbare, modern klingende und aus scheinbar einfachen Strukturen schöpfende Kompositionen zu schaffen, deren Hits die Gefahr des Ohrwurms in sich tragen. „Einfach“ ist dabei nicht simpel oder gar primitiv, vor allem wenn Mehrstimmigkeit in den Chören oder die hier erlebten melodisch-rhythmischen Herausforderungen an die band-begleiteten Soli erstaunliche Klangerlebnisse ermöglichen. Dem gastgebenden Kantor, Musikdirektor ACV Klaus Wallrath, ist es als Komponist und Leader einer mit Drive und Sensibilität musizierenden (familiär geprägten) Band gelungen, den jungen Menschen ein Musical zu schenken, das sie mit sichtbarer Begeisterung und erstaunlichem musikalischen und darstellerischen Können aufführen.

Friederike Betz lässt das Geschehen auf der Bühne sehr konzentriert darstellen und achtet bei allen Schauspielerinnen darauf, dass der Gestus von Sprache und Bewegung der Botschaft und dem Partnerspiel dienen und damit die jeweils kurzen Szenen vom Moment das Auftretens bis zum Abgang als Vorgang erzählen, dabei aber auch Raum für die musikalischen Soli schaffen. Das manchmal bedauerte Problem eitel verzappelten Textaufsagens  im auf Niedlichkeit getrimmtem Theaterspiel von Kindern hat bei ihr keine Chanc

Photo credit: Karl-Hans Möller

e, zu entstehen. Als zum Beispiel der bravourös kurzfristig einspringenden Darstellerin des Josias plötzlich eine Hilfe zur Arrangements-Verabredung gegeben werden muss, machen das ihre Partner ohne jede Nervosität – nahezu professionell. Das zeigt, dass bei Friederike Betz die Probenarbeit nicht auf’s Nachmachen sondern auf ein souveränes Beherrschen des jeweils szenischen Vorgangs gerichtet ist.

Man spürt in der Aufführung ihren erfahren aus dem Hintergrund lenkenden Arm, der sich auf klar getroffene Verabredungen verlassen kann, die auch die weiten Wege auf die Bühne betreffen. Die Aufgänge werden so diszipliniert absolviert, dass die Überraschung der neuen Szenenbesetzung immer gelingt, obwohl sich die Darsteller an den Zuschauern vorbei den Weg auf die Szenen bahnen müssen.

Das Lob für beispielhafte Disziplin gilt auch für den sehr gut singenden Chor, der auch bei seinem Tacet NIE stört und irgendwie immer den Eindruck vermittelt, dem Geschehen neugierig und gespannt zu folgen. Justyna Bokuniewicz und Bernhard Hüsgen haben die jungen SängerInnen sehr gut vorbereitet und eine gute klangliche Harmonie zwischen den teilweise auch auf der Bühne singend als Gruppe agierenden Kinderstimmen und dem reiferen mehrstimmigen Sound der Jugendkantorei erreicht.

Photo credit: Karl-Hans Möller

Ich verbiete mir das Herausheben solistischer Leistungen, denn alle Darsteller und Chorsolistinnen geben wirklich ihr Bestes und singen erstaunlich gut und komplett textverständlich. Das ist insofern wichtig, als die Geschichte um den im 9. Jahrhundert lebenden Propheten durch Vereinfachungen durchaus auch auf gefährliche Weise als die Frage, „welcher Gott denn prinzipiell der rechte sei“ aktuell fehlinterpretiert werden kann. Das Inszenierungsteam hat sehr konsequent dargestellt, dass Elias nicht für einen, sondern für SEINEN GOTT eintritt: Er kämpft nicht gegen ein anderes Verständnis des persönlich erfahrenen ererbten Göttlichen, sondern er wütet gegen Götzen, die von weltlichen Herrschern erfunden und mit unterdrückenden Aufträgen belastet sind, um als strafandrohende menschlich geschaffene Popanze missbraucht zu werden.

Elias, dessen Name „Jahwe ist mein Gott“ bedeutet und der als dessen Prophet die Erfahrbarkeit seines Herrn selbst in großer Not verspricht, vertraut auf dessen Allgegenwärtigkeit.  JAHWE heißt aus dem Hebräischen übersetzt „Ich bin da“. Der sich als erfahrbar offenbarende Gott erwartet das Vertrauen in seine Güte.

Diese Botschaft zu verkünden und verständlich zu machen, schafft das Libretto sicher in sehr angemessener Weise, wenngleich der reifere Zuschauer bei einigen aktuellen Bezügen wie „Leugnung des Klimawandels“ oder „Globaler Erwärmung“ erheitert oder bei König Ahabs und Königin Isebels bedrohlicher STASI (Späher-Trupp Ahabs Samt Isabels) leicht irritiert schmunzeln muss.

Wenn man bedauert, dass eine solche Aufführung nur einige Male den verdienten Applaus entgegennehmen kann, so darf man sich mit der Gewissheit trösten, dass sicher alle Mitwirkenden, Unterstützer und Helfer der Inszenierung die gewonnenen Erfahrungen, Teil eines im Moment des Entstehens vergehenden Kunstprozesses gewesen zu sein, genießen und so beflügelt schon von der nächsten Chance des Mitwirkens träumen. Rechnet man die Menschen im sichtlich bewegten und begeisterten Publikum dazu, so wird man mit etwas mehr Optimismus in eine Zukunft schauen, die nicht nur vom Klimawandel, sondern auch von Menschen bedroht ist, die ihre bösen Götzen in Stellung bringen …

Ach ja – der Optimismus. Als ich gut gelaunt und voller wunderbarer Eindrücke den Stiftssaal verließ, war St. Margareta in die Abendsonne getaucht, ein blauer Himmel eingeschlossen.

Photo credit: Karl-Hans Möller

Photo credit: Karl-Hans Möller

Die Schnappschüsse von Karl-Hans Möller sind nicht während der Vorstellung, sondern zur Applausordnung entstanden.