Bild: Marianne Schirge

Wir haben das Interview mit Kulturamtsleiterin Marianne Schirge in unser Pressearchiv übernommen um auch unsere Dankbarkeit für ihre segensreiche Arbeit zum Ausdruck zu bringen. Im Laufe ihrer langjährigen Tätigkeit in leitender Funktion im Kulzturamt stand Marianne Schirge immer auch an der Seite des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf. Vor allen Dingen in der Gründungsphase der SingPause war Frau Schirge, zusammen mit Frau Dr. Petra Winkelmann, eine große Hilfe und seit dem Beginn der SingPause-Düsseldorf eine immerwährende positive Begleitung. Wir sind Marianne Schirge zu großen Dank verpflichtet.

Manfred Hill -Ehrenvorsitzender-

am 21. August 2021

Der Landesmusikrat NRW verlieh am 4. September 2021 zum sechzehnten Mal seine Auszeichnung „Silberne Stimmgabel“ für besondere Verdienste um das Musikleben in NRW. Preisträgerin ist die Chorleiterin und Musikpädagogin Marieddy Rossetto. Das Präsidium des Landesmusikrats würdigt mit der Auszeichnung ihre Verbindung sowohl hoher künstlerischer als auch pädagogischer und organisatorischer Kompetenzen.

Nachhaltige Verdienste hat sie als Mitbegründerin und künstlerische Leiterin der Düsseldorfer „SingPause“, einem sozial integrativen Bildungsangebot im Vormittagsbereich der Grundschulen, erworben. Dabei singen alle Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse wöchentlich mit den Chorleiterinnen und Chorleitern des Städtischen Musikvereins und führen die erlernten Lieder einmal jährlich in der Düsseldorfer Tonhalle auf. Die 2006 gestartete Düsseldorfer „SingPause“ wurde als Modell von bisher 15 weiteren Städten übernommen und erreichte dadurch mehr als 16.000 Kinder.

Im Rahmen seiner Jahresmitgliederversammlung lud der Landesmusikrat zu diesem digitalen Festakt ein. Holger Müller, Leiter der Musikschule in Neuss, überreichte die Auszeichnung im Namen des Landesmusikrats, Rolf Kessler, langjähriger Schulleiter der Gemeinschaftsgrundschule Richardstraße in Düsseldorf, hielt die Laudatio.

Mit dabei waren der Düsseldorfer Kulturdezernent Hans-Georg Lohe, der schilderte, wie bewegend die Konzerte sind, in denen die Kinder der „SingPause“ ihre Lieder vorstellen. Auch Manfred Hill, Vorsitzender des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf e.V. gegr. 1818, der die „SingPause“ trägt, gratulierte.

Holger Müller überreichte die „Silberne Stimmgabel“ in der Historischen Stadthalle Wuppertal an Marieddy Rossetto und führte ein Gespräch mit ihr, das eine Filmproduktionsfirma aufzeichnete. Es wurde heute Teil des digitalen Festakts. „Nie hätte ich gedacht, dass einmal so viele Schulen bei diesem Projekt mitmachen würden,“ resümierte Marieddy Rossetto.

(Pressemitteilung des Landesmusikrats NRW vom 4.9.2021)

Foto: Verleihung der Silbernen Stimmgabel des Landesmusikrats 2021 an Marieddy Rossetto (Mitte) durch Holger Müller (links); die Laudatio hielt Rolf Kessler (rechts) ©vlago

Sehr geehrter Herr Knoll,

sehr geehrte Delegierte des Landesmusikrats NRW,

Lieber Herr Müller,

Lieber Herr Keßler,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

Mit großer Freude habe ich soeben Ihre Auszeichnung für meine Arbeit im Chorwesen und als künstlerische Leiterin der SingPause Düsseldorf entgegennehmen dürfen. Hierfür danke ich Ihnen sehr.

Ein besonderes Dankeschön darf ich auch an meinen Laudator, Herrn Keßler richten, der mir in Düsseldorf langjähriger Begleiter und in manch vertrackten Situationen ein zuverlässiger Ratgeber war. Lieber Herr Keßler, vielen Dank für Ihre einfühlsamen Worte.

Schaue ich auf mein Leben zurück, muss und darf ich feststellen, dass mein Bestreben und meine Wünsche für meine persönliche Entwicklung sich daran orientiert haben, inwieweit mir die Arbeit mit Menschen im Zusammenhang mit der Musik möglich sein würde.

Eine solche Arbeit ist in besonderem Maße in den letzten 25 Jahren mit dem Chor der Konzertgesellschaft Wuppertal und dem Städt. Musikverein zu Düsseldorf wirklich geworden. Dankbar denke ich daran zurück, denn die Menschen, die dort zusammenkamen - so unterschiedlich sie sind - haben mit mir die verschiedensten Chorwerke mit großer Begeisterung, oft mit hohem persönlichen Aufwand um der Musik selbst willen, erarbeitet. Ihr Lohn lag im Gelingen der Aufführungen und sie haben wirklich außergewöhnliche Leistungen erbracht.

Als im Jahr 2004 Herr Manfred Hill, damals Vorsitzender des Musikvereins zu Düsseldorf mich über seine Sorgen um den Nachwuchs im Chor ansprach, kamen wir schnell überein, dass diese Sorge nicht nur unserem Chor, sondern vielen Chören der Stadt galt. Wir waren der Meinung, dass nur eine gemeinsame Anstrengung unter der Federführung der Stadtverwaltung, am großen Rad drehen könnte, das sich bewegen musste, um der Talfahrt der Chorszene entgegen zu wirken.

Darin haben wir uns nicht getäuscht, denn wir fanden offene Ohren im Kulturamt, die die Wichtigkeit unserer Überlegungen erkannten und verschiedene Musikinstitutionen zu einem „Runden Tisch“ zum Thema „Chornachwuchsförderung“ einluden.

Hier möchte ich nun meinen herzlichen Dank an die Leitung des Kulturamts Frau Marianne Schirge und Frau Dr. Petra Winkelmann aussprechen, die an so wichtiger Stelle ihrer Verantwortung gerecht wurden und werden. Bis heute vertreten sie unsere Sache treu und unterstützen uns mit aller ihrer Kraft.

Im Rahmen dieses Arbeitskreises ist die SingPause entstanden, die die Förderung des Singens in der Grundschule zu ihrem Schwerpunkt machte. Sie stützt sich auf die Vorarbeit von Justine Ward, die vor ca. 100 Jahren eine Methode entwickelt hat, auf die unsere Singleiterinnen und Singleiter bei ihrer Arbeit zugreifen können. Über eine solche Methode zur Stimm- und Gehörbildung, Rhythmusschulung und zum Notenlesen zu verfügen, ist ein wahrer Glücksfall.

Dass die Umsetzung, Weiterentwicklung und Organisation in die Hände des Musikvereins gelegt wurde, hat, so meine ich, sich zu einem weiteren Glücksfall entwickelt.

Das Zusammengehörigkeitsgefühl im Musikverein, der auch ein Korpsgeist ist, und das unermüdliche Engagement seines damaligen Vorsitzenden, Herrn Manfred Hill, gaben mir die Kraft diese ehrenvolle Aufgabe zu bewältigen, die sich bis heute in vielen Einzelheiten jeden Tag neu stellt. Ihr gerecht zu werden, bemühe ich mich immer wieder neu.

So begann die SingPause 2006 mit 5 Grundschulen und nach kurzer Zeit – sprich einem Schuljahr – hatte sie sich etabliert. Zusammen mit dem Bildungsbüro unter der Leitung Herrn Keßler‘s und dem Schulverwaltungsamt kam es zur Einbindung in den „Offenen Ganztag“ und zur Erweiterung der finanziellen Förderung. Jahr für Jahr wollten mehr Schulen daran teilnehmen und so betreuen wir heute mit 43 Sängerinnen und Sängern 16.000 Kinder in 70 Grundschulen.

In diesem Zusammenhang richte ich ein großes Dankeschön an dieses Team. Ihre unverzichtbare und einfühlsame Arbeit in einem für sie neuen Metier nämlich der Schule, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Die Silberne Stimmgabel, die ich heute entgegennehme, wie auch die anderen SingPause-Preise, sind auch Anerkennung für die außerordentliche Leistung dieser Musikerinnen und Musiker aus 15 verschiedenen Nationen, die mit Liedern aus ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen unser Repertoire erweitern und bereichern.

Wir haben die Organisation in der SingPause in dem Sinne ökonomisch konzipiert, um die Schulen mit so wenig Aufwand wie möglich zu belasten. Die Bewältigung einer solchen Aufgabe, die mit den Jahren stetig gewachsen ist,        ist heute schon alleine durch ihren schieren Umfang, eine Anstrengung besonderer Art. Nichts desto trotz könnte es viel mehr Kommunen geben, die mit Engagement und Einsatz eine solche Bildungseinrichtung für Grundschüler ermöglichen und zugleich dafür Sorge tragen, dass die Lust am Singen als elementarem Zugang zur Musik aus unserer Gesellschaft nicht verschwindet.

In seinem Text „Zur Bedeutung des Singens“ schreibt Yehudi Menuhin: „Singen ist die eigentliche Muttersprache aller Menschen“.

Schaue ich in unseren jährlichen Konzerten in der Tonhalle Düsseldorf auf die glücklichen Gesichter der singenden Kinder aus vielen Nationen, muss ich bewegt feststellen, dass die von Menuhin gemeinte Muttersprache sich wieder einen Platz in unserer Welt in Düsseldorf zurückerobert.

Unser kleines musikalisches Pflänzchen aus dem Jahre 2006 hat sich zu einem veritablen Baum entwickelt. Nun hoffe ich, dass die Corona-Pandemie ihn nicht ausdörrt, denn über ein Jahr dürfen Kinder in Klassenräumen nicht singen, Kinderchöre nicht proben. Die Tonhalle blieb ihnen in dieser Zeit geschlossen. Die Frage, die sich für mich stellt, ist die: Wie lange noch?

Dass die Kinder und ihre seelische Nahrung, nämlich die Musik, bei allen Überlegungen zur Bekämpfung der Pandemie nicht vergessen werden dürfen, ist aus meiner Sicht von überragender Bedeutung.

Um Menuhin erneut zu zitieren:

„Wenn einer aus seiner Seele singt, heilt er zugleich seine innere Welt. Wenn alle aus ihrer Seele singen und eins sind in der Musik, heilen sie zugleich auch die äußere Welt.“

Dass solche Heilung durch Singen erkannt wird und uns die Möglichkeit wiedergegeben wird, unserer Berufung Kinder in die Welt der Musik einzuführen weiter folgen zu können, ist meine Hoffnung für die Zukunft und ich bedanke mich für Ihr Zuhören!

Marieddy Rossetto am 4.9.2021

Textbild: Preisverleihung "Kinder zum Olymp" - Nominierungspreis. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und seine Gattin Elke Büdenbender mit Marieddy Rossetto und Manfred Hill im Pierre Boulez-Saal der Barenboim-Said-Akademie in Berlin im Jahre 2018.

Beitragsbild: Verleihung der Silbernen Stimmgabel des Landesmusikrats 2021 an Marieddy Rossetto (Mitte) durch Holger Müller (links); die Laudatio hielt Rolf Kessler (rechts) ©vlago

LAUDATIO

Laureat MARIEDDY ROSSETTO

Laudator Rolf Keßler

Sehr verehrte Frau Rossetto,

Weltraum steht für Weite, Innovation, Grenzenlosigkeit und Unendlichkeit. Ich zitiere den US-amerikanischen Astronauten Neil Armstrong: „Große Gedanken brauchen nicht nur Flügel, sondern auch ein Fahrgestell zum Landen“.

Die Silberne Stimmgabel wird verliehen als Auszeichnung für besondere Verdienste um das Musikleben in NRW. Sie, Frau Rossetto, treten heute in den Reigen prominenter Persönlichkeiten - darunter: Landtagspräsident Ulrich Schmidt, Sänger Wolfgang Niedecken, Konzertpianist Lars Vogt, Geiger Frank Peter Zimmermann, Politiker Gerhart Baum, Intendant Alfred Wendel, Chefdirigent Markus Stenz, Musikpädagogin Prof. Dr. Irmgard Merkt, Komponist Markus Stockhausen, Programmdirektor des WDR3 Karl Karst, und nun als 16. Preisträgerin: Marieddy Rossetto, Musikalische Leiterin der SingPause. Vielen der zuvor Geehrten hat die Verleihung der Silbernen Stimmgabel bei der Fortsetzung ihres Wirkens geholfen: größere Popularität und offizielle Anerkennung öffnen Türen und stabilisieren Positionen. Von Ihnen, liebe Frau Rossetto, weiß ich, dass die bedeutende Ehrung, die Ihnen heute zuteil wird, auf Sie eher etwas bedrohlich wirkt. Um so mehr möchte ich meine Laudatio nutzen, um Ihnen die Dimension Ihres Verdienstes und die begründete Wahl des Landesmusikrats zu verdeutlichen. Am Ende sollten Sie sich selbst zumindest halb so großartig fühlen wie sie es für viele kleine und große Andere sind.

Damit dies gelingen kann, beleuchte ich zunächst die Situation des Faches Musik in der Grundschule. Danach beschreibe ich das Programm SingPause, seine Entstehung und Verbreitung und Ihre Rolle und Aufgaben als Musikalische Leiterin. Wenn es möglich wäre, würde ich beide Stränge parallel darstellen, um noch deutlicher kenntlich zu machen, wie zielsicher Sie bestehende Probleme lösen.

Zur Situation des Faches Musik in der Grundschule: Wir leben in einer Gesellschaft, in der das Schulsystem staatlich ist, Zuständigkeiten werden umfassend und en détail geregelt. Die Verantwortung für den Musikunterricht in der Grundschule hat das Ministerium für Schule und Bildung. Das Zahlenmaterial zur Darstellung, wie viele Kinder tatsächlich die vorgeschriebenen 1- 2 Wochenstunden Musikunterricht erhalten und wie viele ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen tätig sind, ist von schwankender Bandbreite und seit langem von einem Hauch von Geheimnis umweht. Eines jedoch ist unumstritten: Alle dokumentierten Zahlen sind niedriger als der Bedarf.

Unserer Gesellschaft droht der Verlust musikalischer Bildung.

Den Mangel an musikalischem Lehrpersonal erkläre ich zum einen damit, dass die Eingangsqualifizierung für das Erreichen einer Lizenz zum Vermitteln von Musik - zurecht - sehr hoch ist. Interessenten brauchen Talent und Ausdauer; sie haben sich im Vorfeld aktiv und zeitintensiv mit ihrem Instrument oder ihrer Stimme sowie verschiedenen Facetten von Musik beschäftigt und gehen dann oft nicht in den Staatsdienst. Zum anderen sind die Bereiche des Faches Musik: Machen, Hören und Umsetzen so unterschiedlich, dass Musiklehrerinnen und Musiklehrer eigentlich Expertisen in Gesang, Komposition, Tanz und Ballett, Choreografie, Instrumentenbau, Improvisation, Instrumentalspiel usw. bräuchten, in der Realität des Lebens allesamt eigenständige Berufe mit speziellen Ausbildungswegen.

Dies unterscheidet Musik von allen anderen Schulfächern.

Mit dem Erlass zur Offenen Ganztagsschule bekam 2003 die bereits in den 90er Jahren begonnene Öffnung von Schule neue Schubkraft: Bildung ist mehr als Schule. Verantwortlich für die Bildungsarbeit in den öffentlichen Lehranstalten sind seitdem gemeinschaftlich Schule, Jugendhilfe und Beteiligte aus den Bereichen Kultur und Sport. Dies wird bis heute sehr fantasiereich interpretiert bis umgangen. Oft sprechen selbst Systemnahe von der Offenen Ganztagsschule in der Schule, Schulleitungen bezeichnen die Koordinationskraft des Jugendhilfeträgers als ihre OGS-Leitung, ignorierend, dass die Schule ein Ganzes ist, das sie leiten. Reiche Städte und Gemeinden haben Verantwortung übernommen und den neuen Bereich finanziell gefördert. Dadurch kamen Expertinnen und Experten für die wissenschaftlich gesehen wichtigsten Schulfächer Musik, Sport, Theaterspielen, Kunst und Handarbeiten in die Schule und… es entstanden mannigfaltige Konfliktfelder.

Die größte Herausforderung ist die wertschätzende Anbindung dieses Personenkreises an die übrigen in Schule Tätigen. Kinder brauchen zum gesunden Wachsen eine Gruppe von Erwachsenen, die abgestimmt handeln. Wie kann das Wirken einer Chorleitung mit dem Musikunterricht verbunden werden? Und was ist mit dem Zensurengebungsmonopol? Hatten die Kinder beim Malen nicht immer viel Freude, und was will da jetzt diese Künstlerin in unserer Schule?

Liebe Frau Rossetto, Sie kennen die geschilderte Gemengelage sehr gut und haben mit Persönlichkeit, Ausstrahlung und Fachlichkeit verdienstvoll einen gangbaren Weg zu einem Landeplatz in diesem Dschungel gefunden.

Szenenwechsel: Die hochqualifizierte Chorleiterin Marieddy Rossetto übernimmt 2001 als erste Frau in der mittlerweile über 200-jährigen Geschichte des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf die Chorleitung, um in den folgenden 18 Jahren 340 Konzerte zu geben - große Werke und Berühmtheiten bebildern ihr Erfolgsalbum. Die Anfangszeit ist für Chor und Leitung jedoch nicht leicht. Und dann kommt aus der Reihe der Bässe nach einer Chorprobe die Frage: „Frau Rossetto, wie sind Sie mit der aktuellen Situation des Singens in unserem Land zufrieden?“

Auch das noch! Nach einer Chorprobe nimmt die Chorleiterin das Mitfahrangebot des unbequemen Fragestellers von Beethovenstadt nach Hause an. Flügel trifft Fahrgestell. Die Allianz Hill&Rossetto rollt auf das Startfeld mit dem Ziel: Festigung der musikalischen Bildung - nicht etwa durch die naheliegende Gründung eines Jugendchors, sondern viel größer dimensioniert. Sie, liebe Frau Rossetto kreierten die Methode und den Namen: SingPause. Singen und Pause, ein fröhlich helles i und ein beruhigendes au - motivierend, wohltuend, positiv. Und wer möchte nicht beim unbeschwerten Singen oder bei einer Pause dabei sein!? Die Adressaten: Grundschulkinder - sind offen, haben noch ihre natürliche Verbundenheit zum Singen und sind in Schulen per se in Gruppen organisiert. Das Instrument: Die Stimme - muss nicht aufwändig angeschafft und gewartet werden und steht auch allen im häuslichen Umfeld zur Verfügung. Im übrigen eine naheliegende Wahl, wenn eine Chorleiterin und ein Sänger Großes vorhaben.

Die Chorleitungen: Gesanglich ausgebildete Hochschulabsolventinnen und -absolventen identifizieren sich mit Gesang und werden von den Kindern als kompetente Spezialisten wahrgenommen, die für das Singen brennen und so die Kinder zum Leuchten bringen. Die Methode: Zweimal wöchentlich haben alle Klassen der beteiligten Schulen im laufenden Unterricht - abgestimmt mit den Schulen - 20 Minuten SingPause. Im Beisein der Lehrperson, die mitlernt und das Gelernte im regulären Unterricht aufgreifen kann, erleben die Kinder - angeleitet durch ihre Singleitung - Stimmbildung, Rhythmusgefühl, gemeinsames Singen und Notation. Dies geschieht in aufbauenden Einheiten, Erlerntes wird mit Neuem verbunden, es bleibt für die Kinder spannend und am Ende können die meisten vom Blatt singen.

Zur Umsetzung eines solchen Projekts benötigt man finanzielle Mittel, die Tour durch die Verwaltungsbüros der Stadt Düsseldorf beginnt. Am Ende steht ein Finanzierungsmix aus Mitteln des Kulturamts, des Amts für Schule und Bildung und aus privater Förderung. Jeder, der für eine neue Idee finanzielle Unterstützung von Ämtern erbeten hat, weiß, welche Überzeugungskraft dazu nötig ist. Und dann ging es 2006 mit 5 Schulen los. Die folgende Entwicklung beschreibt niemand besser als der sehr geehrte Manfred Hill, den ich hier zitiere: „Die anfangs kleine Pflanze entwickelte sich zum großen Baum mit bundesweiter Wirkung: Anerkennung von allen Seiten, kein negativer Kommentar in 13 Jahren, 2017 Jugend-Kulturpreis der Sparkassen, 2018 Nominierungspreis zu Kinder zum Olymp aus der Hand des Bundespräsidenten, 2019 Nominierung zum Opus-Klassik 2019.

SingPause-Düsseldorf heißt heute: Frühe musikalische Bildung von 16.700 Grundschulkindern in 70 Schulen mit 688 Klassen. SingPause heißt aber auch: ca. 1.360 20-minütige SingPausen pro Woche in Düsseldorfs Schulen. 15 Städte haben das Düsseldorfer Modell bislang übernommen. 18 bis 20 Konzerte veranstalten wir in großartiger Organisation und Vorbereitung von Marieddy Rossetto jedes Jahr mit den Grundschulkindern in der Tonhalle Düsseldorf. Bis heute stemmen wir das Projekt unter Mithilfe von 48 Singleiterinnen und Singleitern organisatorisch alleine.“

Das macht man nicht mal eben so, liebe Frau Rossetto! Sie sind sachkundig. Sie haben ein neues tragfähiges Konzept entwickelt: Methodisch-didaktischer Aufbau von progressiven Einheiten über 4 Grundschuljahre hinweg, Auswahl und Zusammenstellung umfangreicher Materialien und Anleitung und Fortbildung der Vermittlerinnen und Vermittler vor Ort. Sie treffen damit das Innere der Kinder mit einem Spannungsbogen vom Leisen zum Lauten, vom konzentrierten Ton-aus-dem-Kopf-Ziehen bis zu gemeinsamen Konzerten in der Tonhalle, wo alle Sängerinnen und Sänger mit stolzer Brust Lieder aus Ihrem Liederbuch vortragen. Ihr Denken ist von großer Klarheit. Sie sind mutig, zielstrebig und sicher. Die SingPause zur Linderung des musikalischen Bildungsnotstands nachhaltig in den Schulen zu platzieren und neben das staatliche Curriculum zu setzen, also eine schulische Maßnahme ohne schulaufsichtliche Kontrolle zu implementieren, ist klug, zukunftweisend und stößt - wie man an der Entwicklung sieht - auf mannigfaltige Zustimmung bei Klein und Groß.

Sie sind weitsichtig und denken nachhaltig: Sie greifen auf ausgewähltes Liedgut zurück, das - langfristig gesehen - alle beteiligten Kinder kennen und ermöglichen damit ein Wiederaufleben tradierten Singens in Familien. Sie sind eine überzeugte und überzeugende Persönlichkeit. Um das Konzept zu realisieren, mussten Dezernenten, Amts- und Abteilungsleitungen und Privatleute finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Schulen müssen ihr Wertvollstes Gut: Unterrichtszeit bereitstellen. Singleitungen müssen angesprochen, ausgewählt, aus- und fortgebildet und begleitet werden.  Sie sind fleißig, akribisch und präzise bis ins letzte Detail. Die beschriebene Begleitung der Singleitungen, die Erarbeitung und Bereitstellung aller Materialien, der Kontakt zu den Schulen, die Organisation der Konzerte lassen auf einen unermesslichen Zeiteinsatz schließen. Sie bearbeiten das Große und das Kleine: Vom didaktischen Konzept bis hin zu Sitz-, Fahr-, Lauf- und Ausstiegsplänen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für 70 Schulen anlässlich der Tonhallenkonzerte. Wenn einzelne Klassen einer Schule am vorgesehenen Termin einen Ausflug machen, schieben Sie diese in ein anderes Konzert. Zuletzt haben Sie zusätzlich digitale Lösungen erarbeitet und zur Verfügung gestellt.

Sie sind stark. Sie sind bescheiden. Sie sind besonders. Worte aus Ihrem Mund: „Viele Leute setzen Hoffnung in meine Arbeit und ich muss das gut machen. Ausprobieren ist total interessant. Ich bin sehr neugierig; wo kann ich hier was lernen? Das Schlimmste ist, mich auszubremsen. Ich muss nicht vorne stehen. Zufriedenheit und Dankbarkeit mit dem, was man tut, ist das Wichtigste. Alle sollten das ausüben, was ihren Talenten entspricht.“

Ich gratuliere Ihnen, liebe Frau Rossetto, zur sehr wohl verdienten Ehrung mit der Silbernen Stimmgabel. Dem Landesmusikrat gratuliere ich zu seiner unzweifelhaft richtigen, wichtigen und feinfühligen Auswahl. Auf dem Rumpf steht Kinder zum Olymp, die Flügel sind mit dem Bundesverdienstkreuz dekoriert und das Fahrwerk ist nun versilbert.

Die SingPause steht startbereit für weitere große Flüge. Möge unsere Gesellschaft ihre Triebkraft lange und ausgiebig nutzen!.

Rolf Keßler am 4.9.2021

Textbild: Verleihung der Silbernen Stimmgabel des Landesmusikrats 2021 an Marieddy Rossetto (Mitte) durch Holger Müller (links); die Laudatio hielt Rolf Kessler (rechts) am 4.9.2021 ©vlago

Beitragsbild: Preisverleihung "Kinder zum Olymp" - Nominierungspreis. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und seine Gattin Elke Büdenbender mit Marieddy Rossetto und Manfred Hill im Pierre Boulez-Saal der Barenboim-Said-Akademie in Berlin im Jahre 2018.

 

Laudator: Rolf Keßler war ehemals Vorstandsmitglied des Bundesverbands Musikunterricht NRW und Vorsitzender des Kuratoriums von Jedem Kind ein Instrument. Er war langjähriger Schulleiter der Gemeinschaftsgrundschule Richardstraße in Düsseldorf und anschließend als Gründungsmitglied 12 Jahre im Regionalen Bildungsbüro der Landeshauptstadt Düsseldorf tätig.