Die 2. Mahler auf dem Weg von Nijmegen über Viersen nach Düsseldorf und zurück
Die Vorbereitung von besonderen Ereignissen wie runden Jahrestagen oder Geburtstagen ist für die Organisatoren der damit einhergehenden Feste wie für die Jubilare selbst immer eine große Herausforderung. Für Machteld van der Meij begannen die Überlegungen schon zwei Jahre vor dem Ereignis, das es zu begehen galt: die Feierlichkeiten zur 75 Jahre zurückliegenden Gründung des Orchesters im Jahre 1950, in dem sie im Vorstand des Symfonieorkest von Nijmegen seit langen Jahren Verantwortung trägt und in diesem Orchester selbst begeistert das Cello spielt! Schon einige Male waren Chöre aus Berlin und Duisburg nach Nijmegen eingeladen, größere Chorsinfonische Werke miteinander zur Aufführung zu bringen.
Diesmal ging es darum, ein weiteres großes Gedenken, nämlich das überregionale Projekt „Terugkeer” (Rückkehr) - „80 Jahre Freiheit“ - der Gemeinde Nijmegen, der Provinz Gelderland und der Euregio Rhein-Waal mit den Geburtstagsfeierlichkeiten des städtischen Klangkörpers in Einklang zu bringen. Der Blick auf die 80 Jahre zurückliegende Zeit des zweiten Weltkrieges, auf Tote und Vertriebene, Gewalt und Zerstörung, auf Rückkehr und Wiederaufbau lenkte für 2025 den Blick weiter über die Grenze und auf den Niederrhein und nach Düsseldorf, wo es auf dem Stoffeler Friedhof eine Gedenkstätte für gefallene niederländische Soldaten, Vertriebene und Vermisste gibt, sowie mit dem Städtischen Musikverein einen Chor mit großer Tradition und 200jähriger Geschichte. Die Entscheidung für die Auswahl eines dem Doppeljubiläum angemessenen großen Chor- und Orchesterwerkes war mit der „Auferstehungssymphonie“ von Gustav Mahler schnell besiegelt!
Machteld van der Meij steuerte zusammen mit dem Musikvereins-Vorsitzenden Stefan Schwartze und dem „Stedelijk 4 en 5 Mei Comité Nijmegen“ auf eine zweijährige detailreiche Vorbereitungszeit zu mit dem Ziel, das große Konzertereignis mit dem „Rückkehr-Projekt“ zu verbinden, bei dem es in Nijmegen jeweils um ein angemessenes Gedenken an den Tag der Befreiung geht, in dessen Mittelpunkt die Rückkehr der Opfer des Naziregimes in ihre Heimat steht. Für das große gemeinsame Jubiläumsereignis konnte sich Machteld der Zusammenarbeit und Unterstützung der Gemeinde Nijmegen und der Provinz Gelderland versichern, die durch finanzielle Beiträge aus dem Regionalprogramm „80 Jahre Freiheit” sowie der Euregio Rhein-Waal und der Stiftung Casterenshoeve die Durchführung des Projekts ermöglichten.
Unter der musikalischen Leitung des Dirigenten Peter Bogaert war zur Bewältigung der 2. Sinfonie Gustav Mahlers ein überregionales Ensemble aus über 100 Orchester-Musikern und dem 80-köpfigen Chor aus dem Nachbarland zusammenzustellen, für das Orchester eine Premiere, für den Chor eine Repetition, stand das Werk – eher zufällig – bereits im März 2025 auf dem Konzertplan der Tonhalle Düsseldorf, der Heimat des Chores.

Foto: Yannic Fehsenfeld

Foto: Hedy Amo
Eine erste musikalische Begegnung von Chor und Orchester fand acht Tage vor dem für den 22. Juni 2025 im Konzerthaus von Nijmegen anberaumten Konzert statt. Dazu reisten Chor und Orchester in das am linken Niederrhein, ca. 40 km westlich von Düsseldorf gelegene Viersen an. In der dortigen Festhalle erklang nicht nur erstmals gemeinsam der 5. Satz für Orchester mit Chor aus Mahlers Auferstehungssinfonie, auch gaben der Orchesterchef Peter Bogaert und das Chormitglied Udo Kasprowicz erhellende Einführungen in das Werk und seine vertonten Texte. Vor allem aber konnten viele Chormitglieder die niederländischen Gastgeber kennenlernen, die ihnen eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten hatten.
Noch am selben Nachmittag begaben sich die Musikerinnen und Musiker zur Gedenkfeier für die niederländischen Opfer des 2. Weltkrieges auf den Stoffeler Friedhof in Düsseldorf, wo der Chor und ein Bläserensemble aus Nijmegen in der Kapelle wechselweise musizierten, Gedichte vortrugen und Bürgermeisterin Clara Gerlach den Organisatoren Dank und Anerkennung für die Initiative aussprach.

Foto: Yannic Fehsenfeld
Zum emotionalen Höhepunkt geriet die gemeinsame Kranzniederlegung durch eine Chorsopranistin mit niederländischer Wurzel und einem Orchestermitglied mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Foto: Yannic Fehsenfeld
Acht Tage später machte sich der Chor auf die Reise nach Malden, einem Vorort von Nijmegen zur Generalprobe mit dem dort ebenfalls eintreffenden Orchester. Hier kam es zur ersten vollständigen Aufführung aller fünf Sätze der großen Mahlersinfonie, einschließlich der Teile, die ein Fernorchester von außerhalb des Konzertsaales beizusteuern hat. Nach einer wunderbar organisierten Kaffee-Pause ging es von hier aus weiter mit Bus oder PKW nach Nijmegen und in die verschiedenen Quartiere, teils in Hotels, teils zu den privaten Gastgebern.

Foto: Aroundus.com
Endlich, am 22. Juni 2025, war der so lange vorbereitete Sonntag des Konzertes im „Concertgebouw de Vereeniging“ von Nijmegen gekommen. Er begann schon am Vormittag mit dem Besuch des „Huis van de Nijmeegse geschiedenis“ in der ehemaligen Kapelle Mariënburg. Hier führte der Geschichtswissenschaftler Dr. Jan Brauer die Besucher in die mit Dokumenten aus den letzten Tagen des Krieges und dürftigsten Habseligkeiten der Vertriebenen eindrucksvoll gestaltete Ausstellung „Zurückkehr aus dem Krieg“ ein. Passender hätte das Titelblatt des Konzertprogramms mit der Szenerie einer im zerstörten Nijmegen wiedervereinten und im Tanz versammelten Gesellschaft von Jung und Alt für das Konzertereignis des Tages nicht gewählt werden können!

Foto: Georg Lauer
Ehe sich die Chormitglieder vom Ort dieser eindrucksvollen Ausstellung verabschiedeten und zum anschließenden Einsingen in das „Concertgebouw de Vereeniging“, das 1905 im Jugendstil mit Elementen des Art déco erbaute Konzerthaus wechselten, blieb noch ein wenig Zeit zum Spaziergang durch die schöne Altstadt von Nijmegen.
Nach zweijähriger Vorbereitung war nun die Zeit gekommen, das große Werk der Öffentlichkeit vorzustellen. Um 15 Uhr waren die Bühne mit Orchester und Chor voll besetzt, der große Konzertsaal ausverkauft und Bürgermeister Hubert Bruls konnte alle Besucher, die Organisatoren, den Gastchor aus Düsseldorf, das heimische Orchester, den Dirigenten und die beiden Solisten Nikki Treurniet und Barbara Kozelj mit herzlichen Worten begrüßen. Dann endlich konnte auch Peter Bogaert seinen Dirigierstab zum ersten Einsatz von Gustav Mahlers großartiger Auferstehungssinfonie heben.

Foto: Symfonieorkest Nijmegen
Im letzten Satz, nach etwa einer Stunde, stimmte auch der Chor unendlich leise die sechs- bis achtstimmige Melodie an, die Mahler dem Klopstock-Text „Auferstehen, ja auferstehen, wirst Du mein Staub nach kurzer Ruh! Unsterblich Leben!“ anvertraut hat. Der von Constanze Pitz akribisch vorbereitete und hellwach eingesungene Chor lieferte zusammen mit dem großartigen Orchester im Saal sowie mit dem Fernensemble, das Grant Sung über Monitor leitete (später sang der Assistent des Chordirektors noch im Tenor!), ein Klangergebnis, das das begeisterte Publikum mit stehendem Applaus belohnte. Dank und Anerkennung für die beiden Solisten und die beiden Dirigenten drückten sich in großen, ihnen überreichten Blumengebinden aus.

Foto: Georg Lauer
Viel zu schnell verging der abschließende Empfang, der dem erfolgreichen Jubiläumskonzert im Foyer des Konzerthauses folgte, mit dem auch eine neue, grenzenlose Freundschaft begründet wurde. Das Tondokument, das dieses Ereignis festgehalten hat, wird zweifelsfrei einen Ehrenplatz im Schallarchiv des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf einnehmen.
Georg Lauer, Städt. Musikverein