Schallarchiv
Bach: Kantaten BWV 56, 50, 41,21

Der Musikverein und Bach, zwei weit auseinander liegende Welten! Zumindest könnte man auf diesen Gedanken verfallen, betrachtet man die Aufführungs-Geschichte des Chores seit der 2. Hälfte des 20sten Jahrhunderts. Ausgenommen hiervon sei ganz ausdrücklich die Matthäus-Passion, aber dieses gewaltige Werk steht ja ohnehin etwas abseits vom übrigen Oeuvre des Leipziger Meisters.

Natürlich hat sich der Chor des Städtischen Musikvereins im Laufe seiner Geschichte künstlerisch stets neu „erfunden“, was aber auch eine Resonanz auf den jeweiligen Zeitgeist war; und diesem Zeitgeist konnte sich besonders eine so tief im Gemeinwesen einer Kommune verwurzelte, musikalische Bürgerbewegung nicht verschließen. Gleichwohl bleibt doch festzuhalten, dass der Musikverein seine vielgepriesenen Stärken im musikliterarischen Umfeld eines romantischen Konzertchores zu suchen hat; und dort ja auch vielfach und erfolgreich fand. Dennoch: ganz ohne den barocken Ziehvater des Chorwesens wäre eine Entwicklung zu dem, was der Chor des Musikvereins heute darstellt, nicht denkbar gewesen.

Wenn auch nach längerem Suchen, so finden wir doch im Archiv des Chores Aufnahmen, die die Auseinandersetzung mit Johann Sebastian Bach belegen, sinniger Weise meist im Zusammenhang mit höchst expressionistischen Werken.

Da ist zunächst das Neujahrskonzert 1985, das Hiroshi Wakasugi, seinerzeit Chefdirigent der Deutschen Oper am Rhein und in gleicher Funktion beim Sinfonieorchester des Westdeutschen Rundfunks, zur Begrüßung des Bach-Jahres mit dem Eingangschor der Kantate BWV 41 einleitete. Als Kontrapunkt war der Chor dann auch noch bei den Polowetzer Tänzen aus „Fürst Igor“ von Alexander Borodin beteiligt. Jean Martinon stellte dem „Deutschen Requiem“ von Brahms in Paris 1972 die Bass-Solo-Kantate BWV 56, die so genannte „Kreuzstabkantate“ voran, wobei der Chor lediglich beim Schlußchoral seine Stimmen erheben durfte.

Ein ganz ander Ding war da im März 1985 die Wahl von Bernhard Klee, der (wie immer in meisterlicher Kombination) dem höchst-anspruchsvollen „Requiem“ von Edison Denissow die Kantate BWV 21 voraus schickte, gerade so, als wollte er den durch ein Probenmartyrium gegangenen Sängerinnen und Sängern Gelegenheit geben, das auszusprechen, was viele damals fühlten: „Ich hatte viel Bekümmernis“!

Wieder völlig anders waren die Umstände ein Jahr zuvor am Fürstenhof von Monaco. Lawrence Foster hatte zur Auferstehungs-Symphonie von Gustav Mahler die Reichen und Schönen dieser Welt geladen. Etwas anderes als ein in diesem Umfeld recht wohlgefällig klingendes „Nun ist das Heil und die Kraft“ hätte sich vermutlich schon aus protokollarischen Gründen verbeten.
Beschließen wir also den –angesichts des sonstigen Repertoires- vergleichsweise kurzen Reigen Bach‘scher Kostbarkeiten mit BWV 50, das –so will es der Zufall- uns nur als Fragment überliefert ist...