Schallarchiv
Bach: Matthäus Passion

Die Bearbeitung des zur Verfügung stehenden Bandmaterials war nicht frei von Schwierigkeiten: zum einen machten sich –begründet durch das Alter der Aufnahme wie auch das analoge Ursprungsband- zeitweise unangenehme Vorechos bemerkbar. Besonders aber stellt man beim Abhören fest, dass der Chor bei diesem Mitschnitt nicht „gestützt“ wurde. Statt der später üblichen 8 Kanäle wurden seinerzeit leider nur 6 Mikrofone abgehängt, von denen die hinteren beiden den Chor nur als „Randerscheinung“ abbilden konnten. Die Folge ist ein für den Musikverein untypisches Präsenzdefizit. Auch die Solisten wurden weit weniger gut von den zwei vorderen Mikrofonen erreicht, als dies später durch eine korrigierte Abhängung erreicht werden konnte. Trotz dieser Mängel haben wir ein beeindruckendes Dokument vor uns, denn sowohl von der Fachpresse, wie auch von allen Mitwirkenden, nicht zuletzt aber vom Düsseldorfer Konzertpublikum wurden die Aufführungen der „Matthäus-Passion“ vom März 1983 als unumstrittener Höhepunkt der „Ära Klee“ bezeichnet. Klee, selber Thomaner und so dem Werk Bachs im Besonderen verbunden, stand damals mitten in der Diskussion um „historische“ –gemeint waren Kleinstbesetzungen- Aufführungspraktiken: Beispiele hierfür gaben Dirigenten wie Gardiner, Norrington, Herreweghe, Koopman und Harnoncourt. Die Düsseldorfer Produktion bewies eindrucksvoll, dass auch ein großbesetzter Chor flexibel, dynamisch, artikulationssicher und filigran Bachs Hauptwerk musizieren kann. In diesem Sinne brach die Aufführungstradition des Musikvereins in keiner Weise mit den Erkenntnissen der neueren Bachforschung.

Bernhard Klee leitete nach alter Tradition die Konzerte vom Cembalo, unterstützt wurde er im Instrumentalpart vom Korrepetitor des Chores, Helfried Viertel. Die Einbindung der Matthäus-Passion in die Symphoniekonzerte gebot 3 Aufführungen. Rechnet man die Klavier- (2), die Orchesterproben (2) und die Generalprobe hinzu, so war das Werk von den Mitwirkenden 8x in Wochenfrist darzubringen.

Die hier dokumentierte Aufführung gibt das Konzert vom Freitag, 4. März, 18.00 Uhr wieder. Auf Grund der Länge des Werkes wurde die Matinee am Sonntag, 15.00 Uhr festgesetzt. Bernhard Klee bat jeweils vor den Konzerten im Namen aller Mitwirkenden:

„...mit Rücksicht auf den ganz besonderen Inhalt und die übergroße, auch äußere Form der Matthäus-Passion von jeglichen, gegebenenfalls zugedachten Beifallsbekundungen gütigst Abstand nehmen zu wollen“.

Die Aufnahme belegt weiter, welche Werkkompetenz Bernhard Klee in der Wahl seiner Solisten hatte: Peter Schreier mag hier nur „pars pro toto“ genannt werden, da er über Jahrzehnte mit Fug und Recht als einer der bedeutendsten Interpreten der Bach‘schen Evangelisten in aller Welt gefeiert wurde. Für Düsseldorf 1983 war seine Mitwirkung ein absoluter Glücksfall.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass nach dieser Klee‘schen Matthäus-Passion das Werk über 20 Jahre lang in den Symphoniekonzerten der Landeshauptstadt Düsseldorf nicht mehr aufgeführt wurde; sicherlich auch ein Hinweis darauf, welche Maßstäbe die damalige Interpretation für die Nachfolger Klees bedeutete.