Lebenslauf
Felix Mendelssohn Bartholdy

Auszug aus einem der vielen Briefe Mendelssohns, die sich mit seiner Düsseldorfer Zeit befassen (in diesem Falle an seine Schwestern Fanny (Hensel) und Rebecka):

„Meine Lebensgeschichte der letzten Wochen ist lang und lustig. Sonntag, am Tage Maximilian, leitete ich die Musik in der Messe; der Chor war vollgepfropft mit Sängern und Sängerinnen, die ganze Kirche (St. Maximilian) mit grünen Zweigen und Teppichen aufgeputzt; der Organist quintulierte fürchterlich auf und ab; die Messe von Haydn war skandalös lustig, indes das ganze doch leidlich. Darauf kam die Prozession mit meinem feierlichen Marsch in As, wo die Musiker im Bass den ersten Teil wiederholten, während die im Diskant weiterspielten; das tat aber alles an der freien Luft nichts, und als ich der Prozession später begegnete, hatten sie den Marsch schon so oft gespielt, daß er recht gut ging! Und ich rechne mir's zur Ehre, daß die Kirmeßmusikanten für die nächste Kirmeß sich einen neuen Marsch bei mir ausgebeten haben.

... Am folgenden Sonntag kam der Kronprinz (Anm.: nachmaliger König Friedrich Wilhelm IV) hier an und fuhr durch die erbauten Ehrenpforten während der Illumination unter Glockenläuten, bei Kanonenschüssen mit einer Eskorte der Bürgergarde zwischen Soldatenreihen und Militärmusik in den Jägerhof. Tags darauf gab er ein Diner und lud mich auch ein, und ich amüsirte mich ganz prächtig. Zu dem Feste, welches ihm von den städt. Behörden gegeben wurde, hatte ich neben Benutzung einiger alter durch Verse zu verbindenden Transparente, den Israel in Ägypten mit lebenden Bildern vorgeschlagen. - Es war im großen Saal der Akademie am Burgplatz, wo eine Bühne aufgeschlagen war. Davor stand in zwei Halbkreisen der Doppelchor um den Flügel (etwa 90 Singende im Ganzen) und dann kamen die Sitze für 400 Zuschauer. R .... machte im mittelalterlichen Kostüm den Erklärer des Ganzen. - Er zeigte die drei Transparente: erstens die Melancholie nach Dürer, dazu wurde in weiter Entfernung von Männerstimmen eine Motette von Sotti gesungen. Dann den Raphael, dem im Traum die Maria erscheint dazu das Lied „O sanctissima". Drittens der heilige Hieronymus in seinem Zelte, mit einem Liede von Weber „Hör uns, Wahrheit". Im zweiten Theil fingen wir „Israel in Ägypten" an. Nach dem ersten Recitativ erhebt sich bekanntlich der Chor allmählig; erst der Alt allein, dann immer mehr Stimmen dazu und "sie schrien in ihrer harten Knechtschaft": da ging der Vorhang auf und war das erste Bild: "Die Kinder Israels in der Knechtschaft"; von Bendemann gezeichnet und gestellt; voran der Moses, ganz versunken und apathisch vor sich hinsehend, neben ihm ein Alter, der unter seiner Last zusammensinkt, während sein Sohn sich bemüht, sie ihm abzunehmen; einige schöne aufgehobene Arme im Hintergrund, voran noch ein paar weinende Kinder, das Ganze recht zusammengedrängt wie ein Haufen Flüchtlinge. Als der Chor in C-moll endigte, schloß der Vorhang vor dem hellen Bilde, und ich habe einen schöneren Effect als den selten gesehen.

Nun sang der Chor die Plagen, Hagel, Finsterniß, Erstgeburt, ohne Bild, dann bei dem Chor "Aber mit seinem Volke zog er hindurch gleich wie ein Hirt" ging der Vorhang wieder auf; da schritt Moses mit aufgehobenem Stab wieder voran, und hinter ihm in Verwirrung alle dieselben Figuren, die im ersten Bilde getrauert hatten, alle vorschreitend, mit Gold und Silber beladen. Dann kamen wieder ohne Bild die Chöre "Aber die Fluten". "Er gebot es, die Tiefe deckte sie". "Deine Rechte, o Herr", dann das Recitativ "Und Mirjam die Profetin", an dessen Schluß der Solosopran eintritt. Vor dem Eintritt ging das letzte Bild auf. Mirjam mit der Handpauke lobsingend, andere Mädchen mit Harfen und Zithern, hinten vier Männer mit Posaunen nach allen Richtungen hingestellt; dazu wurde hinter der Scene der Solosopran gesungen, als ginge es vom Bilde aus, und wo der Chor forte eintritt, waren auf der Bühne wirkliche Posaunen und Trompeten aufgestellt; die fuhren hinein wie ein Donnerwetter. Das letzte Bild war von Hübner, und gefiel mir sehr. Die Wirkung des Ganzen war unbeschreiblich schön.

... Dann folgte noch ein lebendes Bild von Schadow gezeichnet und erstellt, „Lorenz von Medicis, von den Genien der Poesie, Sculptur und Malerei umgeben, die ihm Dante, Raphael, Michel Angelo und Bramante zuführen" mit einer Nutzanwendung auf den Kronprinzen und einem Schlußchor und dann die komischen Scenen aus dem Sommernachtstraum, von den Malern aufgeführt.
Düsseldorf, den 26ten October 1833 - Felix"

Bild: Fanny (Hensel) und Rebecka Mendelssohn Bartholdy in einer Zeichnung von Wilhelm Hensel aus dem Jahre 1828