Lebenslauf
Max Bruch

Einer Festschrift des Chores der Konzertgesellschaft e.V. Elberfeld verdanken wir einen Original-Brief (Bild) von Max Bruch, dessen Text wir hier wiedergeben, weil er das Düsseldorfer Bruch-Konzert vom 31. Mai 1891 betrifft (siehe auch die folgenden Einträge) und deutlich macht, dass Finanzierungsthemen und alle Dinge um den Verleih und die Rückgabe von Noten schon vor mehr als 100 Jahren Gegenstand konzertorganisatorischer Überlegungen standen. Der Brief richtet sich an den damaligen Vorsitzenden der Konzertgesellschaft e.V. Elberfeld, Herrn Endemann:

„Friedenau bei Berlin
Albe Str. 2 – 16.3.1891

Sehr geehrter Herr Endemann,
Ihre letzten gef. Zeilen und die Listen der Mitwirkenden habe ich mit Dank erhalten. Heute möchte ich mir erlauben, die sehr wichtige Frage der Beschaffung und Verwendung des sehr großen Notenmaterials nochmals mit Ihnen und Ihren Herrn Collegen vom Vorstand zu besprechen. –

Die Anmeldungen für diese Aufführung sind so massenhaft eingelaufen, daß am 31. Mai in der Städt. Tonhalle zu Düsseldorf ein Gesamtchor von 750-800 Damen und Herren versammelt sein wird. Auf der einen Seite ist dies zwar höchst erfreulich für mich, weil ich darin ein neues, ehrendes und ermuthigendes Vertrauens-Votum der singenden Kreise des Rheinlandes erblicken darf; andererseits ist es aber sehr schwer, für solche enorme Massen das nöthige Notenmaterial zu beschaffen.

Wenn auch das „Feuerkreuz“ (im II. Theil) das Hauptwerk des Abends sein wird, so liegt es doch auf der Hand, daß eine so imposante, selten gehörte Chormasse auch im 1. Theil des Festconcertes ihre überwältigende Wirkungen entfalten muß, und ich habe deshalb, als besonders geeignete Stücke, ein paar Chöre aus der „Glocke“ und den Siegesgesang aus „Achilleus“ noch in’s Programm aufgenommen – aufnehmen müssen. Nun haben aber nur 2 von den betheiligten Städten, Barmen und Bonn, alle 3 Werke; M.Gladbach besitzt nur 2 (Achilleus nicht), andere Städte keins. Unter diesen Umständen hatte ich mit einiger Bestimmtheit darauf gerechnet, daß die Vereine sich mit ihrem Notenmaterial gegenseitig aushelfen würden. Auch dann hätte ich immer noch eine größere Anzahl von Chorstimmen zu kaufen und zu liefern; diese Ausgaben würden aber 150 – 200 M nicht übersteigen.

Sie schreiben mir nun, daß nach Vorschrift Ihrer Statuten Ihre Noten nicht verliehen werden dürfen, und somit würden, da nur ca. 150 Ihrer Mitglieder ihre Stimmen nach Düsseldorf mitnehmen, 100 und mehr Stimmen von jedem der 3 Werke unbenutzt in Barmen zurückbleiben. Nun ist zwar die Bestimmung des Nicht-Verleihens in den Verhältnissen unserer Zeit durchaus begründet, es wird dadurch jede Vermögens-Beschädigung der rechtmäßigen Verleger verhindert und gesetzliche Conflicte sind dadurch ganz ausgeschlossen; indessen ist keine Regel ohne Ausnahme – und ein solcher Ausnahmefall dürfte in diesem concreten Falle vorliegen. Denn
1) Hat der Verleger dieser 3 Werke, mein Freund Herr N. Simrock in Berlin, gestern ausdrücklich gestattet, daß die betheiligten Vereine das gesammte, in den Vereins-Bibliotheken vorhandene Notenmaterial bei dieser Gelegenheit benutzen, und Theile davon zur Aushilfe an andere mitwirkende Verein verleihen:
2) Hat er mich autorisiert, Ihnen und den anderen Vereinen dies mitzutheilen, mit dem Bemerken, daß er diese Concession mir persönlich mache; und
3) Hofft er, daß nunmehr auch die Vereine ihrerseits, nachdem von Seiten des Verlegers gar kein Hinderniß mehr besteht, mir die gewünschte Concession machen werden.
4) Würden Sie diese ausnahmsweise Concession nicht irgendeiner Gesellschaft machen, sondern dem Autor dieser Werke. Ihrem langjährigen Ehrenmitgliede, einem Mann, der gerade zu Ihrem Verein seit fast 2 Decennien in besonders nahen und freundschaftlichen Beziehungen gestanden hat und dies schöne Verhältniß zu allen Zeiten nach seinem vollen Werthe gewürdigt hat.

Es liegt hier offenbar ein Ausnahmefall vor, den die Verfasser Ihres Status nicht vorausgesehen haben, und nicht voraussehen konnten.

Ich bitte daher hierdurch Ihren Vorstand, diese Frage nochmals gef. Zu erwägen, und freundlichst zu gestatten,:
Daß auch das Notenmaterial von „Feuerkreuz“, „Glocke“ und „Achilleus“, welches nicht von Ihren Mitgliedern nach Düsseldorf mitgenommen wird, für den 31. Mai und die vorhergehende Probe zu meiner Verfügung gestellt werden.
Ich würde mich dagegen verpflichten, das gesamte geliehene Noten-Material bis zum 10. Juni d.J. vollzählig an Ihre Bibliotheken zurückzuliefern, und etwa fehlende Stimmen zu ersetzen.

Haben Sie die Güte, diese für mich wichtige Angelegenheit sobald als möglich in einer Plenar-Sitzung des Vorstandes zur Sprache zu bringen. Der Vorstand würde mich durch die Bewilligung der Noten zu ganz besonderem Dank verpflichten.

Bewilligen Barmen und Bonn die überzähligen Noten nicht, - muß ich folglich alle kaufen – so vermehren sich die ohnehin sehr großen Ausgaben für das Fest – gegen 4000M! – so sehr, daß ich alsdann vielleicht das ganze Unternehmen noch jetzt aufgeben würde. Gäbe es Concert-Tantièmen, wie es Theater-Tantièmen giebt, so würde ich an solche Unternehmungen überhaupt nicht denken; ich wage sie nur, und muß sie wagen, weil ich von den unzähligen Aufführungen meiner Chorwerke im In- und Auslande gar nichts habe.

Mit der Bitte um gef. Baldige Antwort
Mit vorzüglicher Hochachtung
Stets Ihr
Verte! – M.Bruch

P.S.
Sollte der Vorstand nach meinen Wünschen beschließen, so würde ich zunächst bitten, mir mittheilen zu lassen:
Wieviele Sopran-, Alt-, Tenor- und Baß-Stimmen von
I. Der Glocke
II. dem Feuerkreuz
III. Achilleus
Im Ganzen bei Ihnen vorhanden sind. D.Ob.

Unter diesem Brief findet sich die handschriftliche Notiz des damaligen Vorsitzenden:
"Zustimmend beantwortet"
B.22/3.91 E."

Quelle: Festschrift 175 Jahre Chor der Konzertgesellschaft e.V., Elberfelder Gesangverein - Städtischer Singverein.

Bild: Der Original-Brief von Max Bruch