Lebenslauf
Robert Schumann

Fortsetzung des vorangegangenen Artikels:

(2)"Im März zog es Schumann wieder auf einige Wochen nach seinem geliebten Leipzig. Er hatte die Freude, zu sehen, wie seine treue Anhänglichkeit an diese Stadt von der dortigen Musikwelt im reichsten Maasse erwidert wurde. In privaten Matinéen, in Konzerten des Konservatoriums und des Gewandhauses wetteiferte man in Huldigungen für seine Muse; im Gewandhause dirigirte er sogar persönlich seine Es dur-Symphonie. Es war das letzte Mal, dass er in der Stadt weilte, die von Anfang an der Hauptschauplatz seiner entscheidenden Lebensschicksale, seiner harten Kämpfe und seines endlichen Sieges gewesen.

Im Sommer stellten sich bereits wieder Krankheits-Erscheinungen ein, die eine Kur in Scheveningen nothwendig machten. Es waren die unmittelbaren Vorboten der Katastrophe von 1854. Die Wirkungen der Krankheit zeigten sich zunächst in einem auffallenden Nachlassen der schöpferischen Produktion. Während in der ersten Hälfte dieses Jahres noch Werke wie die Messe, das Requiem, die Ballade »Vom Pagen und der Königstochter« entstanden, brachte die zweite Hälfte ausser einigen Klavierauszügen nur die 5 »Lieder der Königin Maria Stuart« (op. 135). Das Schlimmste für den Meister waren die nunmehr mit erschreckender Häufigkeit auftretenden Gehörstäuschungen. Dazu kamen Täuschungen rhythmischer Art – es erschienen ihm beim Hören alle Zeitmaasse zu schnell –; endlich steigerte sich die Schwerfälligkeit seiner Sprache und die Apathie gegenüber der Aussenwelt in hohem Grade. Unter diesen Umständen musste er seine Theilnahme an dem Düsseldorfer Männergesangfest auf das Allernöthigste beschränken, und auch bei dem 31. niederrheinischen Musikfest im folgenden Jahre, für das er sich auf das Lebhafteste interessirte und zu dem er seine Freunde aus Nah und Fern einlud, vermochte er nur Händels Messias und seine neu instrumentirte Dmoll-Symphonie zu dirigiren; die Leitung einer eigens zu diesem Feste komponirten »Festouverture über das Rheinweinlied« (op. 123) musste er anderen Händen überlassen. Noch einmal trat eine Besserung seines Zustandes ein, so dass er im Jahre 1853 noch die Ouvertüre zu »Faust«, die Ballade »Das Glück von Edenhall« (wozu ihm sein Arzt Dr. Hasenclever den Text bearbeitet hatte), das Konzert-Allegro für Pianoforte und Orchester (op. 134), die Phantasie für Violine und Orchesterbegleitung (op. 131), bei der ihm das Bild des jungen Joachim vorschwebte, die Ballade vom Haideknaben (op. 122), sowie mehrere Klaviersachen (op. 118, 126 und 130) vollenden konnte. Aber die Wahnvorstellungen liessen ihn nicht mehr los. Das Schlimmste war, dass sie nunmehr auch seine Dirigententhätigkeit in einer Weise zu beeinträchtigen begannen, die ihm selbst den Gedanken an den Rücktritt von seinem Posten nahelegte. Dazu gesellten sich allerhand Intriguen, denen sich sein müder Geist nicht mehr gewachsen fühlte. Längere Zeit suchte man ihn noch zu halten, und Julius Tausch übernahm, anfangs provisorisch, Schumanns Stellvertretung; allein bald gab dieser sein Amt endgültig auf. Des »pöbelhaften Treibens« müde, erwog er mancherlei Pläne, um von Düsseldorf loszukommen. Eine Zeit lang tauchte die alte Kaiserstadt Wien wieder vor seinem unruhigen Geiste auf; es zog ihn dahin, »als ob die Geister der geschiedenen Meister noch Sichtbar wären, als ob es die eigentliche musikalische Heimath Deutschlands wäre.«"