Lebenslauf
Stadtgeschichte/ Vereinsleben

Musikfest = Düsseldorf - 98. Niederrheinisches Musikfest am 16., 20., 21. und 22. September 1929

Im Programmheft zum Musikfest 1929 findet sich eine interessante Niederschrift von Wolfgang Fortner, die wir hier wiedergeben möchten:

"Über meinen "Werdegang" soll ich schreiben:
In Leipzig bin ich in die Schule gegangen, dann habe ich bei Grabner Komposition studiert: jetzt fungiere ich als Grabners Assistent am Landeskonservatorium, nebenbei studiere ich noch an der Universität Musikwissenschaft und Philosophie. Komponieren ist für mich schon ziemlich lange Mittelpunkt meiner Betätigung. Angefangen habe ich als Bub` von 12 Jahren mit einem Hymnus zum 70. Geburtstag meiner Großmutter. Meine erste Komposition, die in breiterer Öffentlichkeit Beachtung fand, war eine Messe für 8 stimmigen a capella-Chor, die (Wuppertal) Elberfelder Kurrende hat sie im vorigen Jahr in Elberfeld aufgeführt.-

Meine Komposition „Die vier marianischen Antiphonen“ ist im vorigen Sommer entstanden. Der Text stammt aus dem Antiphonale der kath. Kirche, ich fand ihn bei wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem gregorianischen Choral. Es handelt sich um vier Bittgesänge zur Jungfrau Maria, die sich liturgisch über das Kirchenjahr verteilen und in ihrem Charakter ihrer liturgischen Stellung nach verschieden sind. Formal ist mein Werk auf den Gegensatz von Solostimme und Soloinstrumente auf der einen Seite und Chor und Orchester auf der anderen Seite gestellt; Arien für Alt-Solo mit Begleitung von Streich- und Holzblasinstrumenten (oder Kombination aus beiden) wechseln ab mit großen Chorfugen mit Orchester- und Orgelbegleitung. In der Instrumentation ist die Tendenz vorhanden, einmal combinierte Instrumentengruppen concertant auf große Strecken durchzuführen, also ein Gegensatz zu der romantischen Instrumentation, die in möglich buntem Wechsel der Instrumente immer neue Farbwirkungen gewinnen will. – Es ist in den letzten Jahren viel von dem Gegensatzpaar Tonalität und Atonalität gesprochen und geschrieben worden, heftig hat der Streit getobt; es ist selbstverständlich, dass man als junger Komponist zu dieser Frage Stellung zu nehmen hat. Ich persönlich halte die Problemstellung für unfruchtbar, da ja Atonalität eigentlich nichts weiter als die Negation des Tonalen darstellt, also der Tonalität nichts Positives entgegensetzt. Mir scheint viel wichtiger das Gegensatzpaar harmonisch-klanglich und linear zu sein, das nun schon seit Jahrhunderten musikgeschichtlicher Entwicklung ständig miteinander alterniert.
Wolfgang Fortner, September 1929“

Bild: Wolfgang Fortner im Jahre 1929