Lebenslauf
Stadtgeschichte/ Vereinsleben

Ende der in eigener Verantwortung durchgeführten Konzertreihen des Städtischen Musikvereins.
Der Städtische Musikverein war seit seiner Gründung eigenständiger Konzertveranstalter beginnend als "Verein für Tonkunst"/"Verein zur Förderung der Tonkunst" und auch u.a. unter der Bezeichnung Konzertgesellschaft "Düsseldorfer Musikverein".

Wie kam es zu diesem großen Einschnitt?

Hier der Versuch einer Zustandsbeschreibung, basierend auf Musikvereinsunterlagen, der Magisterarbeit von Christoph Guddorf mit dem Thema „Konzert und Oper in Düsseldorf unter der Kulturpolitik der Nationalsozialisten“ aus dem Jahre 2006 und der Zusammenfassung dieser Magisterarbeit von Thomas Ostermann im Musikvereinsmagazin „NeueChorszene“ 2/07:

Einleitung
Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ist in jeglicher Hinsicht eine Zeit der kulturellen und politischen Umbrüche und Verwerfungen in Deutschland gewesen. Insbesondere sind dabei die Auswirkungen der nationalsozialistischen Kulturpolitik in allen Bereichen des damaligen Musiklebens spürbar geworden. Vor allem in den Bereichen der Oper/Operette Städtischer Bühnen und des städtischen Konzertes als kommunale Einrichtungen sind die Auswirkungen nationalsozialistischer Kulturpolitik am unmittelbarsten anzutreffen. In Düsseldorf spielt der Städtische Musikverein eine besondere Rolle, der bis Ende 1930 noch eigenständiger Konzertveranstalter war und bis zum Beginn der 30er Jahre als die renommierteste Konzertinstitution der Stadt galt und als Konzertgesellschaft „Düsseldorfer Musikverein“ eingetragen war.

1918-1930
Die künstlerische Leitung der Konzerte– absolviert vom Städtischen Orchester – oblag den von der Stadt engagierten Generalmusikdirektoren: Karl Panzner (1909/10–1922/23), Georg Lennard Schneevoigt (1924/25–1925/26) sowie Hans Weisbach (1926/27–1932/33). Die meist acht Abonnementkonzerte pro Saison wurden ergänzt durch jeweils zwei außerordentliche Konzerte. Zwischen 1918 und 1923 wurden neben der klassischromantischen Literatur fast ausschließlich Vertreter der „älteren Moderne“ gespielt. Eine Ausnahme bildete das Konzert vom 4.1.1922, wo Georg Szells Lyrische Ouvertüre für großes Orchester op. 5, Alexander Skrjabins Tondichtung Le poème de l’Extase und Paul Hindemiths Suite 1922 erklang. Das Musikvereinspublikum identifizierte sich jedoch scheinbar mehr mit Pfitzners Werken, speziell mit seiner Kantate „Von deutscher Seele“, nach Sprüchen und Gedichten von Eichendorff, für vier Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, die Panzner am 23.11.1922 erstmalig in Düsseldorf aufführte. Pfitzners Werk sollte auch während der Zeit des Nationalsozialismus seinen Stellenwert behalten. Die Musikvereinskonzerte schöpften bei ihrer Musikauswahl weitgehend aus der Literatur deutscher „Tonschöpfer“: Der Anteil ausländischer Komponisten lag bei durchschnittlich einem Drittel, der zeitgenössischer Musik bis 1921/22 bei nur 18 %; diese Zahlen entsprachen der Tendenz der Kriegsjahre. Insbesondere die neue Musik jüngerer Komponisten wurde abgelehnt. Musik, die als atonale Musik angesehen wurde, fand in den Konzerten des Musikvereins bis 1922/23 nahezu keine Resonanz. Selbst das 1922 in Düsseldorf veranstaltete Tonkünstlerfest, auf dem u. a. Anton Weberns Passacaglia für Orchester erklang, zeigte keine Auswirkungen auf die Konzerte des Musikvereins. Hierbei müssen allerdings auch die vor Ort zur Verfügung stehenden Mittel sowie die Frage der Notenbeschaffung bedacht werden. Georg Schneevoigt schien 1925 eine Wende einleiten zu wollen, als er Igor Strawinsky ins Programm nahm. 1925 wagte er, Schönbergs groß besetzte Gurrelieder aufzuführen, die jedoch zur Spätromantik gezählt werden. 1925/26 standen sogar zwölf zeitgenössische Kompositionen elf „älteren“ gegenüber. Schneevoigt brachte mit seiner künstlerischen Linie zunehmend Verein und Publikum gegen sich auf. Seine Programmgestaltung, die Bevorzugung des Orchesters - er ließ es auf 123 Musiker aufstocken, die großen Chorkonzerte reduzierte er auf zwei pro Saison - ließen eine Umorientierung des Konzertlebens befürchten. Folge dieser Spannungen war, dass ab der Spielzeit 1926/27 das Amt des Generalmusikdirektors neu besetzt wurde.
Mit Hans Weisbach, der bei Joseph Joachim in Berlin Violine studiert und später als Musikdirektor in Hagen sowie als Dirigent in Barmen Anerkennung erworben hatte, kam ein Förderer zeitgenössischer Musik nach Düsseldorf, der offenbar neue Akzente setzen wollte. Während seiner Wirkungszeit in Düsseldorf brachte er neben Hans Pfitzners Kantate Von deutscher Seele die Uraufführung von Arthur Honeggers Oratorium König David, Hermann Suters Le laudis und Lothar Windspergers Missa symphonica ins Programm. Dennoch arbeitete er bei den Abonnementkonzerten des städtischen Musikvereins am musikalischen Trend vorbei, den Komponisten wie Ferruccio Busoni, Paul Hindemith, Ernst Toch, Heinrich Kaminski, Max Butting, Karl Marx oder Ernst Pepping bildeten. Auch Strawinsky, Prokofjew oder Bartók fehlten hier. Letztendlich blieben die Musikvereinskonzerte trotz des gestiegenen Anteils zeitgenössischer Werke groß aufgemachte Konzerte mit repräsentativen Chorwerken und anerkannten Komponisten. Sie hielten am Stil der bürgerlichen Musikkultur des 19. Jahrhunderts fest und vernachlässigten zur damaligen Zeit sowohl die musikgeschichtlich richtungweisenden Gegenwartskomponisten als auch deren Ansichten über Musik, ihre neuen Aufgaben und Funktionen. Die Absicht, weiten Bevölkerungskreisen die Teilnahme am Konzert zu ermöglichen, beschränkte sich auf verbilligte Eintritte für Voraufführungen zu den eigentlichen Konzerten. Damit konnte der Musikverein nicht mit den „Großen Orchesterkonzerten“ des städtischen Orchesters konkurrieren.

1930-1933
Nachdem Ende 1930 die Gesellschaft durch finanzielle Misserfolge ihrer Konzerte unmittelbar vor dem Konkurs stand, stimmte die Stadt der Sanierung des Musikvereins zu, allerdings mit der Auflage, keine Konzerte mehr auf eigene Kosten zu veranstalten. Der Chor wurde verpflichtet, ohne Gage alle musikalischen städtischen Veranstaltungen zu begleiten. Bei der Programmgestaltung hatte der Musikverein nur noch ein begrenztes Mitspracherecht. Neben seinem Image verlor der Verein auch innerhalb von zwei Jahren beinahe die Hälfte seiner Mitglieder. Auch die gesellschaftlichen Veränderungen wirkten sich negativ auf die Arbeit der Konzertgesellschaft des Musikvereins aus. Hanns David, Kritiker der Düsseldorfer Lokalzeitung, versuchte dies wie folgt zu begründen: „Der Musikverein krankt daran, dass das alte Publikum im Schwinden begriffen ist, aber immer noch für diese alte nicht mehr existierende Schicht musiziert wird. Niemand von der langen Reihe der Vorstands- und Ausschussmitglieder […], an der Spitze vor allem der Dirigent Hans Weisbach, hat erkannt, daß man sich ein neues Publikum heranbilden muss. Dies kann aber nur mit einem neuen künstlerischen Kurs geschehen. Wenn eines der wenigen Werke, von denen die unter den im Programm vorgesehenen geeignet gewesen wären, die neue geistige Schicht in die Konzerte zu ziehen, wenn Mahlers 2. Sinfonie abgesetzt wird und dafür ein verstaubtes romantisches Werk aufgeführt wird, […] wenn also laviert und kompromißlerisch gehandelt, statt zielvoll und unbeirrbar gearbeitet wird, so darf sich niemand über den Erfolg wundern. Wer, außer ein paar alten Tanten, gibt heute für solche abgestandene Musik Geld aus?“
Für eine weiterhin regressive Einstellung – auch nach der Abgabe der Verantwortung an die Stadt – spricht, dass sich der Musikverein beispielsweise vehement gegen das zur Aufführung vorgeschlagene Oratorium „Das Unaufhörliche“ von Hindemith sträubte. Eine Aufführung dieses Werkes hätte zumindest die heftigsten Kritiker des Vereins und Weisbachs vorerst in ihre Schranken verwiesen.
Parallel zur Problematik der künstlerischen Ausrichtung kam erschwerend hinzu, dass sich die Stadtverwaltung angesichts der wirtschaftlichen Nöte zunehmend Gedanken machte, in welcher Form sie Gelder einsparen konnte. Um etwa teuren Solistengagen aus dem Weg zu gehen, verpflichtete sie Weisbach in seinem neuen Vertrag vom Februar 1931, in städtischen Konzerten „möglichst nur Orchesterwerke ohne Solisten vorzutragen“ und Düsseldorfer Künstler vorzuziehen. Infolgedessen wurden tatsächlich vermehrt ortsansässige Solisten engagiert; das Problem unangemessener Solistengagen konnte durch eine Konvention in Kooperation mit den städtischen Konzertveranstaltern Westdeutschlands zumindest begrenzt werden, was auch in Düsseldorf gelang. Weitere Einsparungen erhoffte sich die Stadt durch eine geringere Anzahl von Konzerten. So wurden bspw. die Niederrheinischen Musikfeste in die städtischen Konzertreihen des Orchesters und des Musikvereins integriert."

(Fortsetzung dieses Arikels über die Zeit von 1933-1939 - Ära Hugo Balzer -siehe unter dem Eintrag vom 27.9.1933).