Schallarchiv
Verdi: Messa da Requiem Verdi: Quattro pezzi sacri

Nach sechs Jahren als Chefdirigent der Düsseldorfer Symphoniker verabschiedete sich David Shallon vom Städtischen Musikverein mit einem „Schwergewicht“ der Musikliteratur: Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“; im folgenden, dem abschließenden 12. Symphoniekonzert der Saison 1992/93, stand dann Gustav Mahlers gewaltige 6. Symphonie –gekoppelt mit dem Violinkonzert von Alban Berg- auf dem Programm. So schloss sich der Kreis zu Shallons Antrittskonzert, der 3. Symphonie von Mahler (siehe Vol. 7). Zwei große Ausrufezeichen, Verdi und Mahler, die sehr wohl darauf aufmerksam machten, mit welcher künstlerischen Persönlichkeit der doch noch so jugendlich wirkende David Shallon auf dem Podium stand. Durch eine überragende formale wie musikalische Geschlossenheit dieser sehr unterschiedlichen Meilensteine abendländischer Musikkultur wurde deutlich, welch künstlerisches Potential in ihm lebte. Konzerte unter David Shallon hatten aus Sicht des Chores eine große Gemeinsamkeit: sie waren frei von jeglichen störenden Spannungen, getragen von einer unbändigen Freude am Musizieren. Starallüren waren ihm genauso fremd wie introvertiertes Grüblertum. Und doch gelangen ihm Interpretationen von großer Kraft und Faszination: die 13. Symphonie von Schostakovitch, das War Requiem von Britten und eben das hier dokumentierte Verdi-Requiem sind bleibende Zeugen. Wir danken Tabea Zimmermann, die uns aus dem Nachlass des viel zu früh verstorbenen David Shallon die ausgezeichnet erhaltenen DAT-Bänder zur Verfügung gestellt hat.

Ergänzt haben wir diese Ausgabe des Schallarchivs mit Verdis „Quattro pezzi sacri“, die uns in einer außergewöhnlichen Interpretation durch Isaac Karabtchevsky vorliegen. Besonders in den Orchester-Chor-Sätzen waren die Konzerte vom Oktober 2001 keine Sache für schwache Nerven oder eine angeschlagene physische Kondition. Die vom Dirigenten vorgegebenen Tempi verlangten volle Konzentration und eine enorme Atemtechnik, die eigentlich von jedem Chorsänger eine professionelle Ausbildung verlangte. Die dem Chor nicht unbekannten „Quattro pezzi“ wurden so im wahrsten Sinne des Wortes „atemberaubend“; man wird schwerlich in irgendeiner der verfügbaren Einspielungen solche Details hören, solch ausmusizierte Agogik finden! Das Erstaunliche ist, dass trotz des beschriebenen Interpretationsansatzes niemals die Gefahr des „Auseinanderbrechens“ zu bestehen scheint. Im Gegenteil: Karabtchevsky spannt nicht nur über jedes der vier Stücke einen tragfähigen Bogen, sondern auch über das gesamte Werk; das Ergebnis ist „spannend“ in des Wortes doppelter Bedeutung. Jedoch: keiner, der die Aufnahme nun hört, ahnt wohl, welche kaum zu beschreibende Kraftanstrengung nötig war, um zu dem Ergebnis zu gelangen, das wir heute glücklicherweise nacherleben dürfen!


Isaac Karabtchevsky