Professor Hartmut Schmidt hat in der Vorbereitung zu Aufführungen der „Krönungsmesse“ unter der Leitung von Heinrich Hollreiser gesagt: „Es gibt keine leichten Werke, und für uns schon einmal gar nicht!“ Das war im Mai 1980 und gilt über 3 Jahrzehnte später in gleicher Weise. Die Ernsthaftigkeit wie aber auch die lebensfrohe Dynamik und Musizierfreude, die von Sir Neville Marriner in der Vorweihnachtszeit des Jahres 2013 und diesem immerhin kurz vor Vollendung seines 90sten Lebensjahres stehenden Titanen der Europäischen Musikwelt ausging, war für alle Beteiligten ein einziger Genuss. In einer Zeit, in der Meinungen an der Tages-Ordnung sind wie „Sakralmusik gehört in die Kirche“ oder „…die Zeiten von früher sind vorbei, das will heute keiner mehr hören!“ setzte Sir Neville Marriner einen beachtenswerten Kontrapunkt. Dies sowohl bei den Musikern unseres Orchesters und dem Chor, als auch bei den Solisten, denen er sich mit interpretatorischer Genauigkeit ebenso widmete wie mit einer durch die vielen Jahrzehnte seiner Karriere geprägten Probenökonomie: Er traf sich nach der ersten Orchesterprobe auf dem leeren Orchesterpodium mit dem Solisten-Quartett und sprach Punkt für Punkt die Partitur auf die von ihm geforderten Feinheiten durch. Wo gibt es das noch? Die wirklich großen Musiker nehmen auch heute das, was sie tun, sehr ernst. Dass ein derart gelebter Respekt vor Werk und Komponist nicht mit teutonischer Strenge einhergehen muss, beweisen die Bilder, die von der Klavierprobe mit dem Chor haben eingefangen werden können. Chor, Korrepetitor und vor allem die Chordirektorin konnten große Anerkennung und mehrfaches Lob von Sir Neville Marriner entgegen nehmen. Es schloss sich aber auch mit dieser künstlerisch wie menschlich äußerst angenehmen Begegnung ein Kreis, der für den Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf Namen wie Sir John Eliot Gardiner, Sir Roger Norrington und Sir Charles Groves einschloss. In den Konzerten vom Dezember 2013 waren im ersten Teil vorangestellt die Ouvertüre zu Humperdincks „Hänsel und Gretel“ sowie das Violinkonzert op. 35 von Erich Wolfgang Korngold mit Nigel Armstrong als Solisten.

© 12/2013 by Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V.


Sir Neville Marriner mit Reinhard Kaufmann


Marieddy Rossetto mit Sir Neville Marriner bei der Klavierprobe

„SingPause“ – Das ‚Konzert‘ 2013 -

11., 12., 13., 17., 25., 26. und 27. Juni 2013
jeweils um 10 und 11:30 Uhr in der Tonhalle Düsseldorf
SingPause – „Lieder zum Jahr“

Wenn es eine musikalisch-pädagogische Erfolgsgeschichte ohne Beispiel gibt, dann ist es die vom Städtischen Musikverein zu Düsseldorf ins Leben gerufene „SingPause“, die mittlerweile über 12.000 Grundschulkinder an 58 Schulen in Düsseldorf und Umgebung erreicht. Der langjährige Moderator der Abschlusskonzerte, Günther Weißenborn, weist zu Recht darauf hin, dass Dank des von Manfred Hill ins Leben gerufenen Education-Programms „…alle beteiligten Kinder singen und Noten lesen können, was noch lange nicht jeder Abiturient von sich behaupten kann!“ Inzwischen ist das Projekt „SingPause“ nicht nur in Düsseldorf, sondern in zahlreichen Städten der Bundesrepublik zum Vorbild geworden.

Auch aus diesem Grunde hat der Bundespräsident dem „Vater dieser Idee“, Manfred Hill, im Jahre 2013 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, eine Auszeichnung, die besonders dem unermüdlichen Einsatz des Vorsitzenden des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf Rechnung tragen soll. Hinzu kommt der glückliche Umstand, dass in der Person von Marieddy Rossetto nicht nur die äußerst erfolgreiche Chordirektorin des Städtischen Musikvereins gewonnen werden konnte, sondern vielmehr eine Chorpädagogin, die in kluger Abstimmung mit den inzwischen über 35 Singleitungen das Konzept der „SingPause“ effizient und zielführend umsetzen kann. Bernhard Klee, hoch geschätzter ehemaliger Generalmusikdirektor von Düsseldorf in den 70er und 80er Jahren, besuchte anlässlich seines Gastspiels im Jahr 2010 –eher zufällig- eines der SingPause-Tonhalle-Konzerte. Er, der selber Thomaner war, bemerkte nahezu sprachlos: „So etwas Fantastisches habe ich noch nie erlebt; Nirgendwo auf der Welt!“ Neben den unstrittigen musikalischen Aspekten ist aber besonders auf die integrativ wirkende Sozialkompetenz der an der SingPause beteiligten Kinder hin zu weisen. Eine zunehmend multikulturelle Bevölkerungsstruktur –wie die in Düsseldorf- wird große Vorteile im späteren Zusammenleben der heutigen Kinder mit- und füreinander erleben.
Ein ganz wesentlicher Teil des gemeinschaftlichen Singens ist das aufeinander Hören. Und wenn das bereits in frühem Alter er- und gelebt wird, kann es nur für die zahllosen Begebenheiten im späteren Leben von unschätzbarem Nutzen sein.

Wenn auch Sie die „SingPause“ unterstützen wollen, wenden Sie sich bitte jederzeit an: www.musikverein-duesseldorf.de oder www.singpause.de


26.06.2013: Die Tonhalle beim Abschlusskonzert

Der Städtische Musikverein zu Düsseldorf hat mehrfach schon Aufnahmen in sein Schallarchiv übernommen, die im engeren Sinne mit dem Wirken des Konzertchores heutiger Tage nicht direkt in Verbindung stehen. Aber: Da der Musikverein bzw. seine Vorgänger historisch betrachtet die „Eltern“ der heutigen Düsseldorfer Symphoniker sind, und unser Orchester im Jahr 2014 sein 150jähriges Jubiläum feierte, nehmen wir diesen Umstand gerne zum Anlass, die jüngsten Aufführungen zweier Werke zu würdigen, die gleichwohl in einem direktem Kontext zu Düsseldorf, seinem musikalischen Umfeld, seinen Bürgern, seinem Orchester und damit auch zum Musikverein stehen. Die „Rheinische“ Symphonie des ehemaligen Düsseldorfer Musikdirektors steht in diesem Zusammenhang sicher außer Frage. Anders ist es mit der (so gezählten) 4. Symphonie, die fast 10 Jahre vor Schumanns rheinischen Jahren entstand. Wahr ist, dass diese d-moll-Symphonie in der Leipziger Urfassung zunächst einen schwierigen Stand bei Publikum und Kritikern hatte. Wahr ist aber auch, dass Schumann seine „Problempartitur“ in Düsseldorf gründlichst überarbeitete (1851), sie jedoch erst am 3. März 1853 (noch aus dem Manuskript) bei uns mit großem Erfolg selber zur Aufführung brachte. In der –wenn man so will- „rheinischen“ Fassung, eroberte sich das Werk die Konzertpodien der Welt bis zum heutigen Tage. Das mag man als Hauptargument betrachten, warum wir die 4. Symphonie unseres ehemaligen „Chefs“ in die vorliegenden Ausgabe des Schallarchivs aufgenommen haben. 2014 hat es übrigens vielfache Verwirrung darüber gegeben, welche Fassung zum Abschluss des diesjährigen Schumannfestes erklingen sollte. In mehreren Publikationen und Ankündigungen liest man von der „selten gespielten Leipziger Urfassung“. Tatsache bleibt –wie zu hören ist- dass auch Mario Venzago sich der populären „Düsseldorf-Version“ bediente.

© 2014 Remastering, Text+Layout: Rainer Großimlinghaus über Steinberg WaveLab 6.002
© 2014 by Düsseldorfer Symphoniker / Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V.

Die vorliegende Aufnahme ist in mancher Hinsicht eine Besonderheit. Dies nicht nur, weil sie auch als weltweit zu erwerbende CD von BAYER RECORDS vorliegt, sondern auch, weil sie in einem Umfeld entstanden ist, das 25 Jahre später kaum nachvollziehbar scheint. Der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf hatte 1990 geradezu ein Berlioz-Festival zu bewältigen, und das nicht nur in der heimischen Tonhalle: Vom 6.-9. Juni war der Chor mit der „Damnation“ unter der Leitung von Jean Claude Casadesus in Paris und Lille, zwischen dem 14. und 17. Juni gab er mit dem gleichen Werk Gastspiele in Antwerpen, Tongeren und Amsterdam, wo die hier dokumentierte Aufnahme entstand. Dirigent: Günter Neuhold. am 6.,7. und 9. Dezember stand „Romeo et Juliette“ auf dem Programm der Städtischen Symphoniekonzerte, jedoch nicht mit den Düsseldorfer Symphonikern, sondern mit dem Residentie-Orkest Den Haag als Gast. In gleicher Besetzung wurde das Werk am 14., 15. und 16. 12 in Den Haag und Nijmegen aufgeführt, in beiden Fällen unter David Shallon.
Das Vorjahr (1989) sah nicht minder Berlioz-lastig aus: 8. – 10. Januar 1989 = 3 x das Requiem unter Gerd Albrecht in Hamburg, am 22., 25. und 26. Mai 1989 die „Damnation“ im Rahmen der DDR-Tournee in Berlin und Leipzig, 15.,16. und 18. Juni „Lelio“ in der Tonhalle (David Shallon), am 5. Juli das Requiem im Kölner Dom unter Marek Janowski. Letztlich schloss sich noch ein „Te Deum-Maraton“ an: 5.,6.,8.10 in Düsseldorf, 16.10. in Gent, 21.,22.,23. Oktober in Saarbrücken, Frankfurt und Frankfurt-Hoechst (Shallon, Tchakarov, Shallon). Letztlich am geschichtsträchtigen 9. November wie auch am folgenden 10.11.1989 das Requiem im Concertgebouw Amsterdam mit dem Royal Concertgebouw Orchestra unter Neeme Järvi. Bedenkt man, dass in den beiden Jahren 1989/1990 zu den genannten Berlioz-Werken Stücke wie „Das klagende Lied“ (CD-Produktion in Berlin) und die 8. Symphonie von Gustav Mahler (TV-Produktion in München) sowie seine 2. Symphonie (in Paris) unter den Dirigenten Riccardo Chailly und Lorin Maazel hinzu kamen, ferner Brittens War-Requiem in Köln unter Andrew Davis, Strawinskys Psalmen-Symphonie, Bernsteins Chichester Psalms, ganz zu schweigen von Schumanns Missa sacra und der „Lobgesang“-Symphonie von Mendelssohn (Shallon), dem Elias (Schmidt) und der 13. Symphonie von Schostakowitsch (Shallon), fragt man sich, wie denn das mit einem noch so ambitionierten (Laien-) Konzertchor überhaupt möglich war. Es war möglich, und wie man hört in einer erstaunlichen Qualität.
Der Faktor „Begeisterung“ für das, was man tun „durfte“, war sicher entscheidend. Die Zusammenarbeit mit weltberühmten Orchestern und Dirigenten an den unterschiedlichsten, aber eben auch prominentesten Konzertorten Europas war ein entscheidender Ansporn zu einer Leistung, die wir nur mit Staunen zur Kenntnis nehmen können. Viele der genannten Konzerte sind glücklicher Weise im Schallarchiv des Städtischen Musikvereins erhalten geblieben. Sie bieten –wie die vorliegende Dokumentation- einen beeindruckenden akustischen Spiegel jener Zeit, die in der langen Geschichte des Musikvereins sicher als einmalig bewertet werden dürfte.
Die CD-Veröffentlichung von BAYER RECORDS ist leider etwas sehr zurückhaltend in der Dynamik und Durchhörbarkeit. Im Rahmen der Möglichkeiten ist der Klang der vorliegenden Dokumentation der erfrischenden Interpretation von Günter Neuhold angeglichen worden.
Günter Neuhold

Als wir im Jahr 2000 überlegten, ein Schallarchiv des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf kontinuierlich aufzubauen, fiel die Wahl einer ersten (Versuchs-) Ausgabe auf die Komponisten Brahms und Mendelssohn. Damals waren es die beiden kleineren Chor-Orchesterwerke „Schicksalslied“ und „Nänie“, sowie „Die erste Walpurgisnacht“ (Vol. 1). Heute, 15 Jahre später, können wir auf nahezu 200 Ton- und Bilddokumente zurückblicken, und der Zufall will es, dass mit der vorliegenden Ausgabe des Schallarchivs wieder Brahms und Mendelssohn zu hören sind, wieder als Ausschnitte von zwei unterschiedlichen Konzerten, diesmal aber auch unter der Leitung von zwei grundverschiedenen Dirigenten. Okko Kamu (*1946) war 1969 Gewinner des ersten Karajan-Dirigentenwettbewerbs in Berlin und danach weltweit für seine der nordischen Symphonik (Sibelius/Berwald etc.) verpflichteten Interpretationen gefragt. Sein Dirigierstil setzt in hohem Maße eine völlige Selbständigkeit der beteiligten Musiker voraus, was auch der Chor des Städtischen Musikvereins erst einmal verinnerlichen musste. Ganz anders die Begegnung mit dem Schweizer Dirigenten und Göttinger Generalmusikdirektor Christoph-Mathias Müller (*1967), dessen mitreißende Energie, künstlerische Authentizität und hoher intellektueller Anspruch sich in einer geradezu leidenschaftlichen Proben- wie Konzertarbeit auch im Hinblick auf den Chor wieder spiegelten. Zwei gänzlich unterschiedliche Charaktere!


Marieddy Rossetto mit Okko Kamu nach dem Konzert.

Christoph-Mathias Müller

Es hatte schon etwas mit Wertschätzung zu tun, wenn der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf innerhalb kurzer Zeit erneut auf das Podium des berühmten „Palais des Beaux-Arts“ in Brüssel eingeladen wurde. Diese Wertschätzung ging ganz offensichtlich nicht nur vom „Orchestre National de Belgique“, sondern auch von dessen Chefdirigenten Andrey Boreyko aus. Auf dem Programm stand „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms, sowie vorangestellt eine Auftragskomposition „Ouvertüre 1914“ des türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say. Das nur 7– 8 Minuten dauernde reine Orchesterwerk wurde zur Erinnerung an den Ausbruch des 1. Weltkriegs geschrieben. Es handelte sich um eine Welturaufführung. So stand auch das gesamte Konzert im Zeichen der Weltkriegserinnerung, was der Einladung an einen deutschen Chor mit einem sehr „deutschen“ Hauptwerk des deutschen Komponisten Johannes Brahms eine besondere Note gab. Wenn ein derartig zusammengesetztes Konzert zudem auch noch an vornehmster Stelle und aus diesem Anlass in Belgiens und Europas Hauptstadt präsentiert wurde, sagt das mehr als ungezählte Worte über die Verarbeitung der Deutschland und Belgien einstmals zutiefst getrennt habenden Befindlichkeiten. Letztlich sendete der Belgische Rundfunk BRT/RTBF das Konzert life und stellte so einem weit über die Grenzen Brüssels und Belgiens zu zählendem Publikum (auch via Internet) das Gastspiel des Düsseldorfer Chores vor. Der Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf war damit zum wiederholten Mal ein musikalischer Botschafter, eine musikalische Visitenkarte an prominenter Stelle für die Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens. Manfred Hill, Vorsitzender des Musikvereins, dazu: „Der Musikverein ist stolz darauf, dieses Konzert unter der Leitung seines ehemaligen Chefdirigenten Andrey Boreyko singen zu können, zumal es sich um das mit Abstand größte Werk handelt, das der Chor gemeinsam mit Maestro Boreyko seit dessen Amtsantritt in Düsseldorf hat musizieren dürfen…!“


Andrey Boreyko bei der Klavierprobe in Düsseldorf

Am 2. April 1987 zeichnete der in Köln beheimatete Deutschlandfunk zwei denkwürdige Aufführungen der großen f-moll-Bruckner-Messe in der Tonhalle auf. Bernhard Klee dirigierte, es sangen Edith Mathis, Doris Soffel, Aldo Baldin und Robert Holl (siehe Vol. 2). 1997 folgten zwar noch 3 Aufführungen unter Salvador Mas Conde, die jedoch aufnahmetechnisch nicht dazu geeignet waren in die Dokumentation des Schallarchivs übernommen zu werden. Seither „ruhte“ das Werk, das zu den großen Prüfsteinen der Chorliteratur zählt. Dankbar nahm der Chor des Städtischen Musikvereins die Aufgabe an, Bruckners Bekenntniswerk nach vergleichsweise langer Zeit einmal wieder seinem Publikum präsentieren zu dürfen. Für ein derart „reifes“ Zeugnis innerer Frömmigkeit wurde der noch junge Dirigent Constantin Trinks (geb.: 9.4.1975) gewonnen, der im Jahr zuvor auch international medial auf sich aufmerksam machte, als er in Bayreuth Wagners Jugendwerk „Das Liebesverbot“ zu großem Erfolg führen konnte. Vergleicht man beide Mitschnitte (Klee – Trinks), so darf festgestellt werden, dass besonders die vom Komponisten geforderte Höhensicherheit dem Musikvereinschor deutlich weniger Probleme bereitet, als dies noch vor 27 Jahren der Fall war, ein Resultat intensiver stimmtechnischer Arbeit der derzeitigen Chordirektorin und der sie unterstützenden Stimmbildnerinnen und Stimmbildner. Natürlich wird besonders bei Bruckner auch eine nachhaltige Verjüngung und Verschlankung des Musikvereins hörbar, die sich in einem signifikant unangestrengterem Klangbild zeigt. Bernhard Klee hatte eine Chorstärke von 175 vor sich, Constantin Trinks leitete den Chor mit 135 Stimmen. Die Auseinandersetzung mit Bruckners Glaubens-Tonspektrum hatte Constantin Trinks übrigens schon in den Jahren seiner Tätigkeit als musikalischer Leiter des Saarländischen Staatstheaters unter Beweis stellen können; Er dirigierte dort u. a. dessen 3. und 7. Symphonie. Derzeit gilt der ehemalige Assistent von Christian Thielemann als einer der kompetentesten Vertreter des s. g. „Deutschen Fachs“, und zwar sowohl in der Oper als auch im Konzert. In den Aufführungen vom 11., 13. und 14. April 2014 gingen der f-moll-Messe von Bruckner Paul Graeners „Feierliche Stunde“ (Vorspiel op. 106) sowie die Symphonie Nr. 2 (Adagio für Großes Orchester) von Karl Amadeus Hartmann voraus.

© 05/2014 by Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V.

Wie sein Kollege Daniel Barenboim sich unermüdlich für die Versöhnung von Arabern und Juden einsetzt (West-Eastern Divan Orchestra) so engagiert sich Adam Fischer seit Jahren dafür, das Schicksal von Minderheiten, besonders das der Sinti und Roma im Gedächtnis der Öffentlichkeit zu halten. Eine ganz große Rolle dabei spielt sein Bemühen, die unsäglichen Verbrechen der Nazi-Diktatur einem drohenden Vergessen zu entreißen. Gleichzeitig weist er immer wieder auf die zahlreichen Diskriminierungen hin, die diese Bevölkerungsgruppe auch in der Gegenwart noch zu erdulden hat. Immer wieder stellt daher Adam Fischer sein großes internationales Ansehen in den Dienst dieser Sache. Seine Musikalität und Werkkompetenz, aber eben auch seine Menschlichkeit haben Adam Fischer eine Weltkarriere erschlossen, die sich in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts auch medial mit herausragenden Einspielungen aller Haydn- und Mozart-Symphonien (neben zahlreichen anderen Produktionen) manifestiert hat. Hinzu kommt das schon beschriebene soziale Engagement, das Anfang Mai 2014 zu dem hier dokumentierten Gedenkkonzert in Erinnerung an die im „Dritten Reich“ verfolgten Sinti und Roma geführt hat. Für den Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf war die Begegnung mit einem solchen Musiker ein erneuter Höhepunkt. Seine ausgesprochen schlanke Art, die Werke des 18. Jahrhunderts heute anzufassen, forderten Chor wie Orchester höchste Konzentration und Flexibilität ab. Beide Klangkörper sind von ihrer Besetzung her eher als „romantisch“ zu bezeichnen. Bedenkt man also, dass Adam Fischer in Anzahl und Wahl der Instrumente (Bläser, Pauke, reduzierte Streicher) die Zeit Mozarts nachzuempfinden suchte, hätte man dazu einen maximal 40stimmigen Chor erwartet. Der Chor des Städtischen Musikvereins realisierte mit seiner Konzertstärke von ca. 100 Stimmen mehr = 140 (siehe Bild) einen filigranen, agogisch flexiblen und dennoch durchschlagenden wie klangschönen Sound, so dass Adam Fischer sichtlich beeindruckt seine Anerkennung aussprach. Proben und Konzert wurden zu einer Begegnung, von der man sich nur wünschen kann, dass dies nicht das letzte gemeinsame Musizieren blieb.

© 05/2014 by Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V.

Es ist leider viel zu selten, dass sich die Dinge im Leben wiederholen, und erst recht, wenn es sich um so positive Ereignisse handelt, wie dies bei der erneuten Begegnung zwischen dem Chor des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf und dem hoch dekorierten, als Musiker- und Dirigentenlegende weltweit gefeierten Sir Neville Marriner der Fall war. Auch ist die Tatsache, dass ausgerechnet Mozart (Vol. 165) und Haydn mit ihm erarbeitet und aufgeführt werden konnten, bemerkenswert, weil kompetenter wohl kaum denkbar. Kurz nach Vollendung seines 90sten Lebensjahres zeigte sich seine völlig ungebrochene Lebensfreude und Musikerleidenschaft in der neuerlichen Zusammenarbeit mit Chor und Orchester in Düsseldorf. Die Kompositionen des Abends entsprachen der Überschrift, die die Symphoniker über ihre 150jährige Jubiläumsspielzeit gestellt hatten: Die tiefe Verzweiflung, die Richard Strauss 1945 in seinen „Metamorphosen“ mit Blick auf die verheerenden Kriegsereignisse zum Ausdruck bringen wollte kontrastieren mit der Haydn-Messe „In Zeiten des Krieges“. Sir Neville Marriner war seit jeher ein Meister gegensätzlicher Ton- und Klangsprachen, eine Eigenschaft, die ihn eben nicht „nur“ als Hüter „Alter Musik“ (Academy of St Martin in the Fields) ein Leben lang auszeichnet, sondern ihm auch den äußerst erfolgreichen Weg als Chefdirigenten z.B. des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart, das ja besonders der zeitgenössischen Literatur verpflichtet ist, ebnete. Die Qualität und Stimmung des gemeinsamen Musizierens dokumentiert eindrücklich das gemeinsame Probenfoto mit Manfred Hill, das mehr als tausend Worte beweist: Wir sprechen die gleiche Sprache. In einem Interview mit Wolfram Goertz (RP) berichtete er über seine jüngste Probenarbeit in Düsseldorf: “Das Orchester hat vorbildliche, reaktionsschnelle Künstler und im Chor sind wirklich erstaunlich gute Amateure. Da macht das Proben einfach Spaߓ. Nicht zuletzt lobte Sir Neville einmal mehr das Ergebnis der konsequent-einfühlsamen Vorbereitung des Chores durch Marieddy Rossetto.
Auch wenn man angesichts des ehrwürdigen Lebensalters von Sir Neville Marriner es kaum auszusprechen wagt: Er möge doch bald wiederkommen….!

Sir Neville Marriner bei der Klavierprobe

Die vorliegende Dokumentation fasst in mehrfacher Hinsicht Außergewöhnliches zusammen: Werke, die im Konzertalltag des Städtischen Musikvereins äußerst selten oder gar nicht in Erscheinung treten. Am Anfang steht die „Olympische Festmusik für Chor und Orchester“ von Werner Egk. Ein Musikstück, das noch nie –und erst recht nicht in dieser Chorfassung- auf Tonträger veröffentlicht wurde. Es gibt also keinen Vergleich. Warum grade dieses Stück? Die Düsseldorfer Symphoniker haben ihre Jubiläumsspielzeit unter das programmatische Spannungsfeld der „linientreuen“ NS-Musikszene zu den seinerzeit als „undeutsch“ oder gar „entartet“ bezeichneten Kompositionen gestellt. In diesem Zusammenhang ist die Wahl der „Olympischen Festmusik“ von Werner Egk zu sehen. Gleichzeitig war die Gegenüberstellung zur „Festouvertüre“ und der 4. Symphonie von Dimitrij Schostakowitsch das Abschiedskonzert von Andrey Boreyko als für die Symphoniekonzerte zuständigem Generalmusikdirektor. Die übrigen Werke, die hier festgehalten werden konnten, stammen aus den Neujahrskonzerten 2013 und 2014, sowie aus dem Festakt zur 725-Jahrfeier der Stadt Düsseldorf. In letzterem fanden sich der Chor der Deutschen Oper am Rhein und der Chor des Städtischen Musikvereins zusammen. Die erste Ansprache des Hans Sachs sowie die Beckmesser-Szene wurden mit Rücksicht auf die Länge des Festaktes gestrichen. Aufnahmetechnisch bleibt anzumerken, dass die Solisten der Meistersinger-Ausschnitte leider nicht gestützt werden konnten, da die vorausgegangenen optisch-medialen Präsentationen weder gestellte noch gehängte Zusatzmikrofone zuließen.
Zu den Ausschnitten aus den Neujahrskonzerten darf man noch bemerken, dass der Chor des Städtischen Musikvereins grundsätzlich sehr gerne gemeinsam mit den Symphonikern und zahlreichen für die Kultur- und Musikszene in Düsseldorf wichtigen Persönlichkeiten das „Neue Jahr“ begrüßt, und dies sicher auch in Zukunft immer wieder so tun möchte. Der damalige musikalische Leiter der Deutschen Oper am Rhein, Hiroshi Wakasugi, fragte 1985 erstmals den Musikvereins-Chor, ob dieser am Neujahrskonzert teilnehmen wolle - übrigens ebenfalls mit den hier dokumentierten „Polowetzer Tänzen“. Der Musikverein sah diese Verpflichtung als Beweis und Festigung der Verbundenheit von Chor und Orchester an. Gleichwohl sollte nicht vergessen werden, dass ein derartiger Auftritt am Morgen nach der Silvesternacht ein nicht zu verachtendes zusätzliches Maß an Selbstdisziplin jedem Einzelnen der Beteiligten auferlegt…
Ausschnitte aus früheren Neujahrskonzerten finden sich im Schallarchiv des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf unter den Volumina 100, 105, 128, 143 und 151.

© 05-06/2014 by Städtischer Musikverein zu Düsseldorf e.V.


Andrey Boreyko


Joji Hattori


Axel Kober


Daniel Raiskin