Der September 2012 war der glückliche Monat, in dem sich die Wiederaufstellung des Mendelssohn-Denkmals in Düsseldorf realisieren ließ. OB Dirk Elbers weihte das Denkmal ein. Viele Besucher waren gekommen und der OB wurde umringt von der Bürgerschar, die sich für die Wiederaufstellung stark gemacht hatten und einige Monate in der Stadt "trommelten", auch um das kulturell-moralische Gewissen der Stadt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. 1901 hatten Bürger das Denkmal für Felix Mendelssohn Bartholdy errichten lassen und Clemens Buscher mit der Realisierung beauftragt. 1936 bauten die Nazis das Denkmal ab, weil sie bei einem Aufmarsch über die Allee-Straße nicht an dem "Juden Mendelssohn" vorbeilaufen wollten. Dieser Grund wurde unter der Hand gehalten weil Deutschland im Angesicht der Olympiade in einem guten Licht stehen wollte. 1940 wurde das Denkmal dann eingeschmolzen als Spende für den "Führer". Seltsamerweise blieb das Gegenstück zum Mendelssohn-Denkmal, das Immermann-Denkmal, erhalten und wurde im Hofgarten wieder aufgestellt.

2010 begann dann auch nach Leipziger Beispiel die Arbeit einer Bürgerinitiative, die dann in kürzester Zeit die Wiederaufstellung ermöglichte. Folgende Personen gehörten dem Verein zu Wiedererichtung des Mendelssohn-Denkmals in Düsseldorf an:

Dr. Edgar Jannott - Prof. Dr. Bernd Kortländer- Herbert Hennig - Dr. Wulff Aengevelt - Dirk Grolmann - Friedrich-Wilhelm Hempel - Bernd Dieckmann - Dan Georg Bronner - Manfred Hill.

Nach nur etwa zweijähriger Arbeit konnte das Denkmal wieder aufgestellt werden. Dem Broncegießer und Ziseleur Gerd Kaiser ist für die Herstellung zu danken. Die Initiatoren und die Düsseldorfer Bürger sind sehr glücklich, die von den Nazis angerichtete Schmach endlich ausgleichen zu können.

Manfred Hill, im März 2018

 

Heinrich-Heine-Institut der Landeshauptstadt Düsseldorf

Das Heinrich-Heine-Institut der Landeshauptstadt Düsseldorf ist das Literaturmuseum der Stadt und kann außerdem glänzen mit einem enormen Bestand im musikalischen Bereich. Dort finden sich viele Nachlässe von Musikern aber auch und vor allem eine große Anzahl von Originalen aus der Feder von Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert und Clara Schumann. Der Städtische Musikverein hat außerdem seine Notenbestände und viel zusätzliches Material als Depositum in die Sammlungen des HHI eingebracht. Die nebenstehende Bildersammlung, die nach und nach geordnet und beschriftet wird, ist ein kleines Zeugnis für die außerordentlichen Bestände, die teilweise in das zur Zeit diskutierte Schumann-Museum eingehen könnten. Schauen Sie in dieser Bildergalerie auch auf die Kachel "Mendelssohnbriefe". Dort finden Sie unser Depositum mit Briefen von Felix Mendelssohn Bartholdy zur Uraufführung des "Paulus" am 22. Mai 1836 im Beckerschen Gartensaal, dem Vorläufer der Tonhalle Düsseldorf. Mendelssohn leitete als Festdirektor des 18. Niederrheinischen Musikfestes diese Uraufführung, an der 582 Choristen teilnahmen.

Das Institutsgebäude des HHI bereichert und trägt die Bilker Straße in Düsseldorf, die den Ehrennamen "Straße der Romantik und Revolution" trägt. Die Bilker Straße weist viele Kulturinstitute auf und gegenüber des Museums für Düsseldorfs großen Sohn Heinrich Heine steht das Wohnhaus der Familie Schumann auf der Bilker Str. 15. Das Haus trug zu Schumanns Zeiten die Haus-Nr. 1035. Dieses Gebäude, welches es aktuell als Schumann-Museum zu retten gilt, ist das einzige Gebäude auf der Welt in dem die komplette Familie Schumann zusammen gewohnt hat.

Geschichte (Quelle: Homepage der Landeshauptstadt Düsseldorf):

Das Heinrich-Heine-Institut ist 1970 aus der Handschriftenabteilung der Landes- und Stadtbibliothek Düsseldorf hervorgegangen. Hierbei handelt es sich um die vormalige Kurfürstliche, dann Königliche Bibliothek, an deren viele tausend "mächtige Bücher" sich Heinrich Heine in seinem Reisebild "Ideen. Das Buch Le Grand" von 1826 zurück erinnert.

Als Stiftung des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz-Sulzbach hatte diese öffentliche Bildungseinrichtung seit spätestens 1770 der rheinischen Residenzstadt Düsseldorf die besten wissenschaftlichen und kulturellen Dienste geleistet. Die Familie Jacobi gehörte zu den Förderern der Bibliothek, der junge Heinrich Heine und Robert Schumann ebenso zu ihren Benutzern wie später Herbert Eulenberg.

Die Buchbestände der alten Landes- und Stadtbibliothek wurden an die neu gegründete Universitätsbibliothek Düsseldorf übertragen. Die Handschriftenabteilung, deren Mittelalterliche Handschriften und Inkunablen erst 1977 als Dauerleihgabe an die Universitätsbibliothek übergeben wurden, verblieb dagegen unter städtischer Obhut. Diese nach regional bestimmten Gesichtspunkten aufgebaute Abteilung besaß vor allen Dingen mit dem Heine-Archiv und der Schumann-Sammlung eine internationale Bedeutung.

Im Jahr 1974 konnte das Heinrich-Heine-Institut das alte, seit 1906 genutzte und im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte Bibliotheksgebäude am Grabbeplatz verlassen und das historische Patrizierhaus Bilker Straße 14 nutzen. Zum 700-jährigen Stadtjubiläum 1988 ergab sich die Erweiterung des Instituts durch das Nachbarhaus Nr. 12.

Das Museum:

Das Museum präsentiert unter dem Titel "Romantik und Revolution" die weltweit einzige Dauerausstellung zum Leben und Werk des 1797 in Düsseldorf geborenen Dichters Heinrich Heine. Erleben Sie zudem wechselnde Sonderausstellungen mit literarischen, musikalischen und kulturhistorischen Themen oder besichtigen Sie die Schumann-Gedenkstätte an der Bilker Straße 15.

Das Heinrich-Heine-Institut bietet buchbare Führungen durch die Ausstellungen sowie Workshops und weitere Programme der kulturellen Bildung an. Die grafischen Sammlungsbestände des Museums stehen zudem für die wissenschaftliche Nutzung zur Verfügung.

Die nebenstehenden Bilder sind Bestände aus dem Museum des Heinrich-Heine-Instituts, Düsseldorf.

Bibliothek:

Die Bibliothek des Heine-Instituts ist eine einzigartige Spezialsammlung, die das Ziel hat, möglichst alle Heine-Ausgaben in deutscher Sprache sowie in Übersetzungen, die gesamte Literatur über Heine in Originalen oder zumindest in Kopie, die Noten der Vertonungen und die Tonträger mit Heine-Vertonungen oder gesprochenen Heine-Texten zu versammeln. Der Bestand wird ergänzt mit auf den Heine-Umkreis bezogene Literatur zum Jungen Deutschland, Vormärz, Biedermeier.

Ein wichtiger Bestand der Heine-Sammlung ist die Privatbibliothek des Dichters: 323 Bücher und Zeitschriften aus dem persönlichen Besitz Heinrich Heines.

Zusammen sind das circa 45.000 Medieneinheiten. Verzeichnet sind die bis 1982 erworbenen Bestände dieser Sammlungen im Zettel-Katalog, seit 1983 werden sie im Gesamtkatalog der Düsseldorfer Kulturinstitute (GDK) erfasst.

Das Rheinische Literaturarchiv im Heinrich-Heine-Institut hat zudem eine Handbibliothek zur rheinischen Literatur aufgebaut, die dem Besucher des Instituts neben den handschriftlichen Materialien in einem speziellen Lesesaal angeboten wird.

Das Heine-Institut verwahrt circa 25 Nachlassbibliotheken mit circa 30.000 Medieneinheiten, darunter zum Beispiel die Bücher aus dem Besitz von Rose Ausländer oder Rolf Bongs. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier auf der rheinischen Literatur.

Wer war Heinrich Heine:

Heinrich Heine kommt in der Düsseldorfer Altstadt zur Welt: In der Bolkerstraße, im Hinterhaus, das zur heutigen Nr. 53 gehörte, wird er geboren. An welchem Tag, in welchem Jahr, das wissen wir nicht genau. Manche Indizien sprechen für den 31. Januar 1798; der 13. Dezember 1797, der bis heute als mutmaßlicher Geburtstag gilt, ist eine wenig gegründete Hypothese seiner älteren Biographen. Nicht Heinrich, sondern Harry wird der Junge genannt, nach einem englischen Geschäftspartner des Vaters, und so heißt er bis zur protestantischen Taufe 1825, wo er die Namen Christian Johann Heinrich erhält.

Heines Mutter Betty stammt aus der angesehenen Düsseldorfer Bankiers- und Gelehrtenfamilie van Geldern, der Vater Samson Heine aus einer strenggläubigen norddeutschen Kaufmannsfamilie. Für seinen Sohn, der seiner stets sehr liebevoll gedenkt, verkörpert er Heiterkeit, Liebenswürdigkeit und Lebenslust bis zum Leichtsinn, während die ernste Mutter für Willenskraft, Moral und Disziplin steht. Die Eltern gehören der kleinen jüdischen Gemeinde an, die kaum ein Dutzend Familien zählt, weshalb es in Düsseldorf kein ausgesprochenes Judenviertel gibt. Ausgrenzungs-Erfahrungen bleiben Heine dennoch nicht erspart. Seine Herkunft aus einem jüdischen Elternhaus, sein hierorts wenig gebräuchlicher Vorname und sein rötliches Haar machen ihn zur Zielscheibe von jugendlichem Hohn und Spott.

Im Juni 1816 geht Heine für zwei Jahre nach Hamburg. Dort absolviert er im Bankhaus seines Onkels Salomon eine kaufmännische Lehre. 1817 werden seine ersten Gedichte gedruckt, die der Cousine Amalie gelten. Es ist eine unmögliche Liebe. Schon nach wenigen Monaten erfährt er aus dem Munde der Angebeteten: „Sie liebt mich nicht!“ 1818 richtet ihm sein Vater in zentraler Lage Hamburgs eine Kommissionshandlung für englische Manufakturwaren ein. In Düsseldorf nicht abgesetzte Waren sollen hier verkauft werden. Doch schon ein Jahr später muß Samson Heine hoher Schulden wegen sein Textilgeschäft in Düsseldorf aufgeben, wodurch auch Heines Hamburger Kaufmannskarriere ein jähes Ende nimmt.

Aufgrund der großzügigen Unterstützung seines Onkels kann sich Heine im Wintersemester 1819/20 als Student der Rechtswissenschaft an der Universität in Bonn einschreiben. Sein juristisches Studienziel verfolgt er nur beiläufig; vorrangig belegt er Vorlesungen über altdeutsche Literatur und Geschichte. Schon bald wird er in die Burschenschaft aufgenommen, die damals die einzige Gruppierung ist, die entschieden an der Forderung nach einem freien und geeinten Deutschland festhält. Nach zwei Semestern wechselt er an die Universität Göttingen, die er wiederum ein Semester später mit der Berliner Universität vertauscht. Erneut steht nicht das Fachstudium im Vordergrund, sondern das gesellschaftliche und kulturelle Leben und Erleben. Bald findet er Eingang in die literarisch-musikalischen Salons der preußischen Hauptstadt. In diese Zeit fallen seine ersten literarischen Erfolge. 1824 kehrt Heine an die Universität Göttingen zurück, wo er 1825 sein schriftliches Doktorexamen ablegt. Wenige Tage vor der abschließenden mündlichen Prüfung lässt er sich im benachbarten Heiligenstadt evangelisch taufen, wobei er den Vornamen Heinrich annimmt. Damit schafft Heine zunächst nicht mehr und nicht weniger als die Voraussetzung zur beruflichen Integration. Seine Hoffnungen auf eine Staatsanstellung oder eine Advokatur erfüllten sich indessen nicht.

1827 erscheint das "Buch der Lieder". Daß es einmal zu einem Kultbuch werden wird, ist vorerst nicht abzusehen. Es ist die funkelnde Prosa der "Reisebilder", die Heines Namen beim deutschen Publikum populär macht. Unmittelbar vor der französischen Revolution von 1830 werden sie zum Prototyp einer Denk- und Schreibweise, an die nachfolgende Schriftstellergenerationen unmittelbar anknüpfen können.

Im Mai 1831 verlegt Heine seinen Wohnsitz nach Paris. Schnell wird er hier mit führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bekannt, Politikern, Bankiers, Künstlern und Wissenschaftlern. In den neuen geistigen und ideologischen Strömungen erblickt Heine Motoren des gesellschaftlichen Fortschritts. In dem Vierteljahrhundert, das er in Paris verlebt, zieht Heine ungewöhnlich oft um. Das von ihm bevorzugte Wohnviertel liegt in dem zum Montmartre-Hügel ansteigenden Stadtteil. In seiner Nachbarschaft leben viele bedeutende Schriftsteller und Künstler, darunter Théophile Gautier, George Sand, Frédéric Chopin, Franz Liszt, Alfred de Musset, Hector Berlioz, Eugène Delacroix und Théodore Géricault. Zur Lebensgefährtin wählt er sich ein junges Bauernmädchen, das es aus der Provinz nach Paris verschlagen hat und auf den Namen Augustine Crescence Mirat katholisch getauft ist. Weil Heine weder der eine noch der andere Vorname zusagt, belegt er sie umgehend mit einem eigenen Namen: Mathilde. Seit 1836 lebt das Paar zusammen.

Die Übersiedlung nach Paris eröffnet Heine die Möglichkeit zu umfassender publizistischer Betätigung. Dadurch verlagert sich der Schwerpunkt seiner literarischen Arbeit zunächst auf journalistische und literarische Prosa. Sein Hauptanliegen als politischer Publizist ist die gegenseitige Aufklärung der angeblichen „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich. In der "Romantischen Schule" (1835) gibt er eine Übersicht der deutschen Literatur von Lessing bis zu den Romantikern Arnim und Brentano. Ein kurzer Seitenblick gilt namhaften Vertretern der literarischen Avantgarde, wofür Heine seit 1833 den Schulbegriff des "Jungen Deutschland" gebraucht. Ebenfalls 1835 erscheint seine Abhandlung "Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland". Darin will Heine "die Phasen der deutschen Philosophie und zugleich ihre politische Bedeutung" verständlich machen. Als Folge der von Kant eingeleiteten philosophischen Umwälzung prophezeit er Deutschland eine baldige politische Revolution.

Mit seinen kritischen Deutschlandschriften erregt Heine die persönliche Aufmerksamkeit des preußischen Innenministers, der den Text als kriminelles Meisterstück "in Beziehung auf Styl und Darstellung" bezeichnet. Auf Anordnung des österreichischen Staatskanzlers Metternich holen die Behörden des Deutschen Bundes wenig später zu einem entscheidenden Schlag gegen die kritische Literatur aus: Mit dem Bundestagsbeschluß vom 10. Dezember 1835 wird zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine Gruppe von Autoren per Dekret an der Fortsetzung ihrer literarischen Tätigkeit gehindert oder zumindest - und das auf Jahre - großen Beschränkungen unterworfen.

In einer großangelegten Auseinandersetzung mit Ludwig Börne, seinem republikanischen Antipoden und Weggefährten des Exils, versucht Heine fünf Jahre später eine politische wie literarische Neubestimmung seines Standorts. Danach wendet er sich wieder stärker der Versdichtung zu, womit er auf die erneute Konjunktur der politischen Lyrik in Deutschland reagiert. Was Heine an der von ihm als "Tendenzpoesie" verhöhnten politischen Dichtung mißfällt, sind ein phrasenhaft unkonkreter Enthusiasmus, Poesielosigkeit und Bierernst sowie der einseitig nationale Kurs. Parallel entstehen die beiden großen Versepen: Während sich das humoristische Tierepos "Atta Troll" (1843/1847) mit der Pyrenäenlandschaft als südlicher Naturkulisse als "phantastisch zweckloses", romantisches "Waldlied" gibt, stellt "Deutschland. Ein Wintermärchen" (1844) eine scharfe Satire der deutschen Zustände dar. Es ist Heines eingehendster und brisantester Beitrag zur Deutschland- und Preußendiskussion der vierziger Jahre. Heine entwirft darin ein düsteres Bild von Deutschlands Gegenwart und ein noch dunkleres von seiner Zukunft.

Im Februar 1848 fegt eine Erhebung der Pariser Bevölkerung Ministerium und Thron hinweg, im Dezember wird Louis-Napoléon Bonaparte, der Großneffe des Kaisers, zum Präsidenten der Republik gewählt. Das Scheitern der von ihm mit großen Hoffnungen begleiteten Revolution geht mit einer rapiden Verschlechterung von Heines Gesundheitszustand einher. Ende Mai 1848 streckt ihn eine Lähmung für immer nieder und macht ihn zum Gefangenen seines häuslichen Krankenzimmers, das er selbst als "Matratzengruft" bezeichnet. Die politische und die körperliche Misere tragen erheblich zur Verdüsterung von Heines Zeit- und Geschichtshorizont bei. Zugleich führen sie zu einer Wiedererweckung seines religiösen Gefühls und zu einer Neubesinnung auf seine jüdische Identität. Obgleich oft tagelang von Schmerzen erschöpft und vom Morphium betäubt, beweist Heine selbst in seiner Krankheitsperiode eine ungebrochene Produktivität. Im Sommer 1851 kann er überraschend mit einem neuen Gedichtband, dem "Romanzero", hervortreten. Als neue Stoffbereiche werden die jüdische Tradition sowie die Geschichte ferner Länder und ferner Zeiten erschlossen.

Heinrich Heine stirbt am 17. Februar 1856 morgens gegen 5 Uhr. Still, prunklos, ohne religiöses Zeremoniell und ohne eine einzige Traueransprache, findet am 20. Februar 1856 auf dem Pariser Friedhof Montmartre die Beisetzung statt. (Autor: Jan-Christoph Hauschild)

Chronologie:

1797–1815 Düsseldorf

1797
13. Dezember (Datum unsicher): Harry Heine in Düsseldorf geboren. Eltern: Textilkaufmann Samson Heine aus Hannover (1764–1828) und Betty (Peira) van Geldern aus Düsseldorf (1771–1859). Geschwister: Charlotte (Sarah, um 1802–1899), Gustav (Gottschalk, um 1803–1886), Maximilian (Mayer, um 1804–1879). Kindheit und Schulbesuch in Düsseldorf.

1815 Frankfurt

1815
September / Oktober: Aufenthalt in Frankfurt am Main, kaufmännische Praktika im Bankhaus Rindskopf und bei einer Kolonialwarenhandlung.

1816–1819 Hamburg

1816
Juni: Als Lehrling im Bankhaus Heckscher & Co. des Onkels Salomon Heine (1767–1844) in Hamburg.

1817
Februar / März: Erste Gedichtveröffentlichungen in der Zeitschrift "Hamburgs Wächter".

1818
Juni: Provisorische Aufnahme in die jüdische Gemeinde (damit quasi hamburgische Staatsbürgerschaft). Eröffnung des Kommissionsgeschäfts "Harry Heine & Comp." für in Düsseldorf nicht abgesetzte englische Manufakturwaren.

1818/19
Die "Ellen- und Modewaren"-Handlung des Vaters in Düsseldorf gerät in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten.

1819
Februar: Wegen der Geschäftsunfähigkeit ihres Bruders Samson betreiben Salomon und Henry Heine in Hamburg dessen Entmündigung. Anschließend Liquidation der Geschäfte in Hamburg und Düsseldorf. Rückkehr Heines ins Elternhaus.

1819/20 Bonn

1819
Dezember: Beginn eines von Onkel Salomon finanzierten Studiums an der Universität Bonn (Jura und "Cameralia"). Aufnahme in die Burschenschaft. Nähere Bekanntschaft mit seinem akademischen Lehrer August Wilhelm Schlegel.

1820/21 Göttingen

1820
März: Die Familie Heine verlässt Düsseldorf und zieht nach Zwischenstationen in Hamburg und Oldesloe Ende April 1821 nach Lüneburg (bis Sommer 1828).
September: Exmatrikulation in Bonn.
Oktober: Immatrikulation an der Universität Göttingen. Dezember: Ausschluss aus der Burschenschaft wegen "Unkeuschheit".

1821
Januar: Aufgrund eines geplanten Duells wird Heine durch das Universitätsgericht für ein Semester von der Universität verwiesen. Aufenthalte in Hamburg und Oldesloe.

1821–1824 Berlin

1821
April: Immatrikulation an der Universität Berlin. Heine verkehrt in den Salons von Rahel und Karl August Varnhagen von Ense und Elise von Hohenhausen. Bekanntschaft u. a. mit Chamisso, Fouqué, Grabbe, Hegel, Alexander von Humboldt.
Dezember: "Gedichte" (mit der Jahreszahl 1822, Berlin, Maurersche Buchhandlung).

1822
Februar – Juli: "Briefe aus Berlin" im „Rheinisch-Westfälischen Anzeiger“.
August: Aufnahme in den "Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden". Reise ins preußische Westpolen (bis Ende September).
Oktober: Duell mit einem Kommilitonen.
Dezember: Beginn des Briefwechsels mit Karl Immermann.

1823
Januar: "Ueber Polen" in der Zeitschrift "Der Gesellschafter".
April: "Tragödien, nebst einem lyrischen Intermezzo" (Berlin, Dümmler).
Mai: Übersiedlung nach Lüneburg.
Juli: Aufenthalt in Hamburg, Cuxhaven und Ritzebüttel.

1824/25 Göttingen

1824
Januar: Erneute Immatrikulation in Göttingen, intensives Studium der Jurisprudenz, lockere Beziehungen zu landsmannschaftlichen Verbindungen.
April / Mai: Aufenthalt in Berlin.
September: Harzwanderung, anschließend Besuch bei Goethe in Weimar.

1825 
3. Mai: Juristisches Examen.
28. Juni: Protestantische Taufe in Heiligenstadt auf den Namen Christian Johann Heinrich.
20. Juli: Mit der in lateinischer Sprache geführten Verteidigung von fünf Thesen ("Disputation") Abschluß der Promotion zum Dr. juris (Gesamtnote: III). Im August Reise nach Norderney.
September – November: Aufenthalt bei den Eltern nach Lüneburg, anschließend Übersiedlung nach Hamburg.

1826/27 Hamburg

1826
Januar: Beginn der Verlagsbeziehung zu Julius Campe (1797–1867).
Januar / Februar: "Harzreise" im "Gesellschafter".
Mai: "Reisebilder", 1. Teil (Hamburg, Hoffmann & Campe).
Juli: Aufenthalt in Cuxhaven, dann auf Norderney. September: In Lüneburg.

1827
Januar: Rückkehr nach Hamburg.
April: Reise nach England. "Reisebilder", 2. Teil (Hamburg, Hoffmann & Campe).
Juni: In Brighton.
Juli: In Margate und Ramsgate. August: Über Tilburg, Rotterdam, Leyden und Amsterdam nach Norderney.
September: Rückkehr nach Hamburg.
Oktober: Vereinbarung mit Julius Campe über die Honorierung von Nachauflagen. "Buch der Lieder" (Hamburg, Hoffmann & Campe).

1827/28 München

1827
November: Übersiedlung nach München, u. a. mit den Reisestationen Lüneburg, Göttingen, Kassel, Frankfurt am Main, Heidelberg und Stuttgart. Journalistische Tätigkeit für die "Neuen allgemeinen politischen Annalen" (als Mitredakteur) und andere Zeitschriften des Verlags J. G. Cotta.

1828
Juni / Juli: Unterstützt durch die Fürsprache des bayrischen Ministerialrats (und späteren Innenministers) Eduard von Schenk und des Verlegers Cotta beim bayrischen König Ludwig I., betreibt Heine seine Anstellung als außerordentlicher Professor an der Universität München.
August: Reise nach Italien, u. a. mit den Stationen Innsbruck, Trient, Verona, Mailand, Genua, Livorno, Lucca (September), Florenz (Oktober) und Venedig (November).
2. Dezember: Tod des Vaters. Rückkehr nach München.

1829–1831 Hamburg, Potsdam, Berlin

1829
Januar: Ankunft in Hamburg.
Februar: Übersiedlung nach Berlin.
April: Übersiedlung nach Potsdam.
Juli: Rückkehr nach Hamburg.
August / September: Auf Helgoland.
Dezember: "Reisebilder", 3. Teil (mit der Jahreszahl 1830, Hamburg, Hoffmann & Campe)

1830
März: Übersiedlung nach Wandsbek.
Juli / August: Auf Helgoland.
Dezember: Bemühung um eine Stelle als Ratssyndikus in Hamburg.

1831
Januar: "Nachträge zu den Reisebildern" (Hamburg, Hoffmann & Campe).
Mai: "Einleitung" zu Robert Wesselhoefts Streitschrift "Kahldorf über den Adel in Briefen an den Grafen M. von Moltke" (Nürnberg, Hoffmann & Campe).

1831–1856 Paris

1831
Mai: Nach Zwischenaufenthalt in Frankfurt am Main Übersiedlung nach Paris. Bekanntschaft u. a. mit Balzac, Berlioz, Chopin, Dumas, Guizot, Hugo, Liszt, Meyerbeer, Mignet, Musset, Rossini, George Sand, Thiers.
August / September: Aufenthalt in Boulogne-sur-Mer.
Oktober: Beginn der Korrespondententätigkeit für Cottas "Allgemeine Zeitung" (zunächst bis 1832) mit den Berichten über die jüngste "Gemäldeausstellung in Paris" ("Französische Maler").

1832
Januar: Besuch der Versammlungen der Saint-Simonisten.
Juli – September: Aufenthalt in der Normandie: Le Havre, Dieppe, Eu, Rouen.
Dezember: "Französische Zustände" (Hamburg, Hoffmann & Campe).

1833
Januar – März: Gedichtzyklus "Verschiedene" in "Der Freimüthige", Berlin.
März – Mai: Beginn der Mitarbeit an französischen Zeitschriften mit "État actuel de la littérature en Allemagne" ("Die romantische Schule") in "L'Europe littéraire", Paris.
April und Juli: "Zur Geschichte der neueren schönen Literatur in Deutschland", I–II (Paris und Leipzig, Heideloff und Campe).
Juni: "De la France" (Paris, Renduel).
Juli: "Vorrede" zu den "Französischen Zuständen" (Paris: Heideloff und Campe).
August – Oktober: Aufenthalt in Boulogne-sur-Mer.
Dezember: "Der Salon", Band 1 (Hamburg, Hoffmann & Campe).

1834 
März / November – Dezember: "De l'Allemagne depuis Luther" in "Revue des Deux Mondes", Paris.
Mai: "Tableaux de Voyage", I–II (Paris, Renduel).
Juli / August: Aufenthalt in Boulogne-sur-Mer und Dieppe.
September: Aufenthalt in Versailles und St. Cloud.
Oktober: Beginn der engeren Beziehung zu Augustine Crescence Mira(t) (1815–1883); als "Mathilde" wird sie Heines Lebensgefährtin und Ehefrau.

1835
Januar: "Der Salon", Band 2 (Hamburg, Hoffmann & Campe).
April: "De l'Allemagne", I–II (Paris, Renduel).
Juni / Juli: Aufenthalt in La Jonchère bei Rueil auf dem Schloß der Fürstin Belgiojoso.
August – Dezember: Aufenthalt in Boulogne-sur-Mer. Bekanntschaft mit Felix Mendelssohn Bartholdy.
November: "Die romantische Schule" (Hamburg, Hoffmann & Campe).
10. Dezember: Totalverbot der literarischen Avantgarde des "Jungen Deutschland" mit namentlicher Nennung von Heine, Laube, Gutzkow, Wienbarg und Mundt durch die Deutsche Bundesversammlung (an wesentliche Bedingungen geknüpfte Rücknahme im Februar 1842).

1836
Januar: Offener Brief Heines "An eine hohe Bundesversammlung" mit der Forderung nach Rücknahme des gegen ihn verhängten Veröffentlichungsverbots.
April / Mai: "Florentinische Nächte" in "Morgenblatt für gebildete Stände"; "Les nuits florentines" in "Revue des Deux Mondes".
Mai / Juli: Mit Mathilde zeitweiliger Aufenthalt in Le Coudray (Département Oise).
September: Die Führung der katholischen Kirche setzt Heines Werke "De la France", "De l'Allemagne" und "Reisebilder. Tableaux de Voyage" auf den Index der verbotenen Bücher.
Oktober / November: Reise in die Provence mit Aufenthalten in Marseille, Hyères, Aix, Avignon und Lyon.

1837
April: Abschluß eines für elf Jahre geltenden Verlagsvertrags mit Julius Campe über die Rechte an einer Gesamtausgabe.
Juli: "Der Salon", Band 3; "Ueber den Denunzianten" (Hamburg, Hoffmann & Campe).
Mai / Juni: Mit Mathilde Aufenthalt in Granville.
Juli: Aufenthalt in Rennes. August / September: Aufenthalt in Le Havre.
Oktober: "Buch der Lieder", 2. Auflage.
November: "Einleitung" zu Cervantes' "Don Quixote" (Stuttgart, Verlag der Klassiker).
Dezember: "Ueber die französische Bühne" in der "Allgemeinen Theater-Revue",1838.

1838
Februar – April: Heine betreibt die Gründung einer deutschen Zeitung in Paris; der Plan scheitert an den restriktiven Zensurbestimmungen des Deutschen Bundes.
August / September: Aufenthalt in Granville.
Oktober: "Shakespeares Mädchen und Frauen" (Paris, Delloye).
November: "Der Schwabenspiegel" in "Jahrbuch der Literatur", Hamburg 1839.

1839
Januar: Beginn der Zahlung einer Jahresrente von 4000 Francs (seit der Verheiratung 4800) durch Salomon Heine.
Juni – August: Mit Mathilde Aufenthalt in Granville.

1840
Februar: Beginn einer neuen Serie von Korrespondenzberichten für die "Allgemeine Zeitung" (bis 1848).
April: Beginn der Zahlung einer Jahrespension durch die französische Regierung (aus einem Geheimfonds des Außenministeriums) in Höhe von 4800 Francs (bis 1848).
August: "Ludwig Börne. Eine Denkschrift" (Hamburg, Hoffmann & Campe). Mit Mathilde Aufenthalt in Granville.
September: Aufenthalt in der Bretagne.
Oktober: "Der Salon", Band 4 (Hamburg, Hoffmann & Campe).

1841
Juni / Juli: Aufenthalt in Cauterets (Pyrenäen).
31. August: Kirchliche Trauung mit Mathilde in St. Sulpice.
1. September: Ziviltrauung.
7. September: Pistolenduell mit Salomon Strauß.
November: Bekanntschaft mit Georg Herwegh. Verbot des Verlages Hoffmann & Campe in Preußen (Aufhebung im Juni 1842 nach der Hamburger Brandkatastrophe).

1842
August / September: Aufenthalt in Boulogne-sur-Mer.
November: Heine bewirbt sich um das französische Heimatrecht; das Gesuch wird wegen fehlender Personaldokumente abgelehnt.

1843
Januar – März: "Atta Troll" in der "Zeitung für die elegante Welt", Leipzig.
7. März: Heine verfaßt sein Testament und setzt seine Frau als Alleinerbin ein.
Juli / August: Aufenthalt in Trouville.
Herbst: Bekanntschaft mit Arnold Ruge und Friedrich Hebbel.
Oktober: Deutschlandreise über Lille und Brüssel, u. a. mit den Stationen Aachen, Köln, Hagen, Münster, Bremen. Aufenthalt in Hamburg.
Dezember: Mit Campe Abschluss eines Verlagsvertrags über die Gesamtausgabe, der 1848 in Kraft treten soll. Über Celle, Hannover, Bückeburg, Minden, Münster, Hagen, Köln und Brüssel Rückkehr nach Paris. Bekanntschaft mit Karl Marx.

1844
Januar: Eintritt in die Pariser Freimaurerloge "Trinosophes" (Mitglied bis 1847).
Februar: "Lobgesänge auf König Ludwig" in den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern", Paris.
April: Grenzhaftbefehl des preußischen Innenministers gegen Heine und drei weitere Mitarbeiter der "Jahrbücher".
Mai: Beginn der Mitarbeit am Pariser "Vorwärts", in dem Heine bis Juli zehn aktuelle "Zeitgedichte" veröffentlicht.
Juli: Grenzhaftbefehl gegen Heine und weitere Mitarbeiter des "Vorwärts" (mehrfach erneuert). Per Dampfschiff von Le Havre aus Reise nach Hamburg, zunächst in Begleitung von Mathilde, die nach zwei Wochen nach Paris zurückkehrt. Begegnung mit Wilhelm Weitling.
September: "Neue Gedichte" mit "Deutschland. Ein Wintermährchen", das Anfang Oktober auch als Separatdruck erscheint (Hamburg, Hoffmann & Campe).
Oktober: Rückkehr nach Paris über Amsterdam und Den Haag.
November: Die preußische Regierung interveniert in Paris, um die Ausweisung der "Vorwärts"-Mitarbeiter zu erreichen.
Dezember: Bekanntschaft mit Ferdinand Lassalle. Tod Salomon Heines in Hamburg. Das Testament sieht für Heine die einmalige Zahlung von 8000 Bankomark, nicht aber die Fortzahlung der Jahresrente vor. Salomons Sohn und Haupterbe Carl Heine bewilligt seinem Cousin eine reduzierte Jahresrente in Höhe von 2000 Francs; Beginn des Erbschaftsstreits (bis Februar 1847). Erhebliche Verschlechterung von Heines Gesundheitszustand.

1845
Juni – Oktober: Aufenthalt in Montmorency.

1846
Januar: Durch Alexander von Humboldt ersucht Heine beim preußischen Innenministerium um Zusicherung freien Geleits für Reisen nach Hamburg und Berlin; die Bitte wird wegen Fortbestehens der Anklage aufgrund von "Majestätsbeleidigung" abgelehnt.
Juni – September: Aufenthalt in Bagnères-de-Bigorre, Barèges und Tarbes.
27. September: Heine verfaßt erneut sein Testament (ergänzt am 26. Februar 1847).

1847
Januar: "Atta Troll. Ein Sommernachtstraum" (Hamburg, Hoffmann & Campe).
Februar: Carl Heine sichert seinem Cousin die unverkürzte Fortzahlung der ursprünglichen Jahresrente zu, die später noch beträchtlich erhöht wird.
Mai: Übersiedlung nach Montmorency (bis September).

1848
Januar: Bekanntschaft mit Friedrich Engels.
Februar – Mai: Zusammen mit Mathilde und deren Gesellschafterin Pauline Rogue Aufenthalt in der Klinik seines Freundes Faultrier.
März: Bekanntwerden von Heines französischer Staatspension.
April: Rapide Verschlechterung seines Gesundheitszustandes mit fortschreitender Lähmung und Krämpfen. Campe stellt seinen Briefwechsel mit Heine vorübergehend ein.
Mai: Beginn der Bettlägerigkeit ("Matratzengruft"). Übersiedlung nach Passy (bis September).
Juli: Beginn der vertraglich vereinbarten Zahlung einer Jahresrente durch Julius Campe in Höhe von 1200 Bankomark.

1849
August: Bekanntschaft mit Georg Weerth.

1850
Über Heinrich Laube bemüht sich Heine erfolglos um eine Aufführung seines "Faust"-Balletts und des "Ratcliff" in Wien und Berlin.
April: Mit Hilfe von Lassalles Vater versucht Heine, sein auf Anraten von dessen Schwiegersohn Ferdinand Friedland in Aktien der Prager Gasbeleuchtungsgesellschaft investiertes Kapital zurückzuerhalten.

1851
Juli: Besuch Julius Campes bei Heine, Verhandlungen über künftige Projekte.
Oktober: "Romanzero" und "Der Doktor Faust. Ein Tanzpoem" (Hamburg, Hoffmann & Campe).
13. November: Heine errichtet sein rechtsgültiges Testament.
Dezember: Beginn mit Börsenspekulationen.

1852
Juli: Besuch des Bruders Maximilian am Krankenbett.

1853
April: "Les Dieux en Exil" in "Revue des Deux Mondes".
Dezember: Heine erteilt seiner Frau Bankvollmacht.

1854
Januar: Beginn der Arbeit an den Memoiren.
September: "Les Aveux d'un Poète" in "Revue des Deux Mondes".
Oktober: "Vermischte Schriften" I–III (Hamburg, Hoffmann & Campe).
Dezember: Beginn der Arbeit an einer französischen Gesamtausgabe.

1855
Februar: "De l'Allemagne. Nouvelle edition", I–II (Paris, Lévy).
April: "Lutèce. Lettres sur la vie politique, artistique et sociale en France" (Paris, Lévy). In Philadelphia wird das Erscheinen einer (nicht autorisierten) Gesamtausgabe von Heines Werken im Verlag von John Weik angekündigt; daraufhin Besuch Julius Campes in Paris, um mit Heine eine angemessene Reaktion abzusprechen und einige Bestimmungen des letzten Verlagsvertrags zu präzisieren.
Juni: Bekanntschaft mit Elise Krinitz ("Mouche"), die ihn häufig besucht.
Juli: Heine erstellt einen neuen Testamentsentwurf. "Poèmes et Légendes" (Paris, Lévy). "Buch der Lieder", 13. Auflage.
September: Plan einer englischen Gesamtausgabe in Zusammenarbeit mit Lucie Duff Gordon.
November: Besuch der Geschwister Charlotte und Gustav am Krankenbett.

1856
17. Februar, morgens 4. 45: Tod Heines.
19. Februar: Abnahme der Totenmaske durch Joseph Fontana.
20. Februar: Beerdigung auf dem Friedhof Montmartre. Unter den wenigen französischen Trauergästen sind Dumas und Gautier; die Familie ist nur durch den angeheirateten Cousin Joseph Cohen vertreten.
9. Mai: "Tableaux de voyage. Nouvelle édition", I–II (Paris, Lévy).

Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Als Anlage zum Brief Nr. 19 findet sich folgende Kostenaufstellung des Musikdirektors Mendelssohn zum Musikfest 1836:

"Auslagen für das Musikfest 1836.

Tlr. Sgr.
--7---------Cantate von Weber
14----6----Partiturabschrift des Oratoriums
------15---Sopranstimmen daraus
------14---Text daraus
20---------Reise von Leipzig bis Weimar
12---------Reise von Weimar bis Frankfurt
19---16---bis Düsseldorf
---------
73---21
=========
47---------Für die Rückreise außerdem erstattet 47 rt.
---------
120--21---zurück erhalten
=========
Unterschrift: v. Woringen - F. Mendelssohn-Bartholdy

An dieser Stelle der Musikvereinschronik findet sich folgender zusätzlicher Eintrag:

"T o a s t .
Seit Händel und Bach den Griffel niederlegten, ging die Muse umher, suchend den Liebling, dem sie das Werkzeug vertraue, womit Jene ihre Meisterwerke schufen!
Da fand sie in Düsseldorf Felix M.B. und siehe! Hier schrieb er den ersten Chor des Oratoriums Paulus! Und von Düsseldorf geht nun Paulus aus in alle Welt, und predigt und lehrt, wie nach Händel und Bach mit ihrem Griffel klassische Kunstwerke noch heute entstehen.
Felix! Der Name ist nicht ohne Bedeutung gegeben! Glücklich er selber, dem die Muse den Griffel vertraute! Glücklich wir durch ihn, da es uns gegeben ward, ihn bei uns zu haben, durch ihn den Sinn für die klassische Musik zu nähren!
Ihm, unter dessen würdiger Leitung jetzt zwei Musikfeste mit immer erhöhter Trefflichkeit gefeiert wurden, ihm, dem Beglückten, Begabten, Felix Mend. Bart. dieß Lebe-hoch!"

Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Die Vorbereitungen des Niederrheinischen Musikfestes von 1836 waren äußerst umfang- und arbeitsreich. Die Abstimmungen über das Programm und die Eile, mit der die Partitur des „Paulus" fertig gestellt und kopiert werden musste, ist in vielen Briefen, die zwischen dem Musikvereinsvorsitzenden Ferdinand von Woringen und Felix Mendelssohn Bartholdy hin und her gingen, sehr ausführlich dokumentiert. Mendelssohns Briefe waren immer sehr umfangreich, sehr durchdacht und klar. Hier eines der letzten Briefbeispiele (Brief Nr. 18) vor dem Fest, mit Datum vom 28.4.1836:

„Lieber Ferdinand! (v.Woringen)
Hierbei erhälst Du per Schnellpost
1. den Text meines Oratoriums. Die Correcturen müssen sehr genau gemacht werden, da die Abschrift, obwohl es die zweite ist, die ich machen lassen mußte, gar nichts taugt. Sehr lieb wäre es mir, wenn der Druck nicht vor meiner Ankunft gemacht würde, da ich selbst eine Correctur des Textes zu lesen wünsche.
Wo redende Personen eingeführt werden, wünsche ich immer oben den Namen des Stücks, dann darunter den Namen der Person so:
Arie: Paulus
oder
Chor: Die Heiden.
Das hat der Abschreiber nicht verstehn wollen.
2. Erfolgen 2 Arien; die für den Sopran kommt in No. 30 nach den Worten "mit Freudigkeit", also nach den ersten 5 Zeilen der No. 30.
Die Tenor Arie kommt nach No. 41 Recit., vor den Choral No. 42 zu stehn.
Die Arie, die in No. 32 noch fehlt, konnte ich noch nicht mitschicken, obwohl ich es gewollte hätte. Der Abschreiber muß, wie in meinem vorigen Brief schon gesagt, Platz lassen, damit sie eingelegt werden kann.
Lebe wohl für heute
Dein Felix Mendelssohn Bartholdy".

Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Im Brief Nr. 16 von diesem Tage befaßte sich Mendelssohn nochmals mit den Noten zur "Leonoren-Ouvertüre" (siehe auch die Einträge vom 13.4.1836 und vom 18.6.1836):

„An das hochlöbl. Comité für das diesjährige
Niederrheinische Musikfest
zu Händen des Herrn von Woringen – in Düsseldorf

Leipzig, den 26. April 1836

Lieber Ferdinand!
Tobias Haslinger, der soeben aus Wien angekommen ist, hat mir versprochen, morgen an seine Handlung zu schreiben und von dort die dritte Ouvertüre zu Leonore an das Musikfest Comité so schnell als möglich senden zu lassen. Sie wird in 12 Viol. von jeder Seite, 6 Bratschen und 9 Baßstimmen, Blaseinstrumente doppelt, erfolgen, und für die Correctheit der Stimmen steht Haslinger. Aber das einzige Unangenehme ist dabei, dass, wie er mir sagt, die Stimmen erst am 6ten Mai von Wien an Euch abgehen können, da die Fahrpost erst dann geht, die es mitnehmen muß. Nun ist die Frage, ob die Stimmen dann zeitig genug einträfen, denn sie würden erst ungefähr am 18ten zu erwarten sein. Ich bitte das Comité deshalb sich zu entscheiden, ob die Ouvertüre trotz dieses (ganz bedenklich) Risicos, öffentlich angezeigt werden soll, wo man dann risquirte, sie nicht geben zu können, oder ob es vielleicht rathsamer sei, eine andere Ouv. anzuzeigen, und wenn diese eintrifft, es noch in letzter Woche öffentlich bekannt zu machen, dass sie gegeben werden soll.
Ich habe aber auf jeden Fall nicht angestanden, die Stimmen kommen zu lassen, weil das hiesige Abonnement-Concert, im Falle die Stimmen für das Musikfest zu spät kämen, sich erboten hat, die Hälfte der eben erwähnten Anzahl Stimmen zu eigenem Gebrauche zu nehmen, so daß dann auf die Rechnung des Comités nur 6 Viol. etc. und einfache Blaseinstrum. kämen, die der Düsseldorfer Musikverein doch gewiß gern besitzen wird. Ich hoffe dies zur Zufriedenheit des Comités eingerichtet zu haben.
Herrn Schindlers Ungefälligkeit wird noch auffallender dadurch, da Herr Haslinger gar keine Schwierigkeiten machte, die Stimmen zur Aufführung zu erlauben, und da die Ouvertüre sein alleiniges Eigentum, auch schon gestochen, aber nur noch nicht versandt ist.
Vielleicht könnte es nützen, mit Beyer & Co., Rücksprache zu nehmen, um von ihnen, die wohl zuweilen Wiener Sendungen haben, zu erfahren, wann das Pacet zu erwarten sei, falls es am 6ten dort abgeht.
Der Text meines Oratoriums und einige Arien als Nachtrag zum zweiten Theil gehen übermorgen hier ab. Ich selbst gedenke Sonntag früh zu reisen und Sonntag über 8 Tage, den 8ten Mai früh Morgens mit dem Dampfboote von Cöln einzutreffen.
Die Post geht, ich muß schließen.
Dein Felix M.B.

P.S.: Herr Nauenburg aus Halle schreibt mir so eben, dass er zu seinem Bedauern abgehalten sei, zum Musikfest zu kommen, obwohl er sich es schon fest vorgenommen hatte. Er muß sich aber verheiraten, und kann deshalb nicht kommen. Natürlich habe ich Haslinger beauftragt, dem Comité einen Avis der Absendung per Briefpost zu schicken."


Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Der Brief Nr. 17 von diesem Tage ist wieder ein beredtes Zeugnis für das Organisationstalent des Musikdirektors Mendelssohn. Er kümmerte sich wirklich um jedes Detail, wie man dem folgenden Brief entnehmen kann:

Adresse 1. Seite:
„Herrn Assessor F. von Woringen
Hochwohlgeboren in Düsseldorf

Leipzig, den 26. April 1836
Lieber Ferdinand!
Deinen eben erhaltenen Brief vom 21ten des. beantworte ich in größter Eile, weil die Post in einer halben Stunde geht. Die Wahl des Davidde ist mir vollkommen recht. Ich bitte aber nun eine genaue Probe zu machen, wie lang sämtliche Stücke des zweiten Tages spielen. Die Symphonie allein dauert genau 5/4 Stunden. Ich fürchte es wird sehr lang, vielleicht zu lang. Doch muß dies genau ausgerechnet werden.
Da nun aber Davidde gemacht wird bin ich entschieden gegen die Ouvertüre aus Olympia und es würde mir leid thun, wenn sie in diesem Concert stehen bliebe; sie würde mir an dem Platze gar nicht gefallen, und ich würde eine Webersche Ouvertüre statt dessen wünschen. Die aus Oberon schien mir (obwohl bekannt) jedenfalls die beste; die Leute freuen sich immer von neuem daran, wenn sie gut geht und wir müssen ein heiteres Stück am zweiten Tage haben. Auch die zum Freischütz wäre mir recht, weniger der Beherrscher der Geister. Kommt denn die Wiener (von der mein gestriger Brief handelte) so ist es um desto besser.
Ich erwarte jedenfalls Deine Antwort auf meine vorige Anfrage wegen der Ouvert., welche Freitag hier sein kann, und nehme dann von hier noch die Stimmen mit, die Ihr braucht, Simrock weise ich an, die sämtlichen Stimmen der Olympia nicht eher anzukaufen und zu schicken, bis diese Antwort hier ist.
Die Partitur meines Oratoriums ist die richtige und ich bitte die Stimmen (auch Solostimmen) danach auszuschreiben, auch (wenn es nötig wäre) die Nummern der Chorstimmen danach ändern zu lassen. Das Arioso no. 16 steht richtig an seinem Platz, und Simrock hat mir schon gesagt, er habe sich mit der Arie nach no. 22 geirrt. Macht es viel Umstände die Nummern der Chorstimmen zu ändern, so könnten die Nummern der Partitur (im ersten Theil) wohl geändert werden, aber die Ordnung muß genau so bleiben, wie in der Partitur.
Auch bitte ich Schauseil im zweiten Theil in No. 30 nach dem Sopran-Recit. (eh der Tenor eintritt) einen Raum in den Orchesterstimmen zu lassen, damit noch eine Arie dort eingelegt werden kann. Eben so nach No. 321 (wo zwei Arien nacheinander noch kommen) und ebenso nach No. 41 (wo eine Cavatine kommt). Die Partitur zu diesen sämtlichen Arien schicke ich mit dem Text Donnerstag, spätestens Sonnabend und zwar per Schnellpost, da Du es so willst, an Dich ab.
David wird kommen, und wünscht die gebotenen Reisekosten und freie Wohnung. Für das übrige will er selbst sorgen. Ob Queisser kommen wird, bezweifle ich sehr, ich werde soweit gehen, ihm 30 Th. zu bieten, da er ein excellenter Musiker ist, doch glaube ich nicht an den Erfolg.
Ich muß solange Zeit zur Reise haben, weil ich mehreren sehr ehrenvollen Einladungen nach Frankfurt zufolge dort 2 Tage bleiben muß, und einen Tag in Weimar. Nimm mir meinen Comitébrief ja nicht übel, und lebe sehr wohl, und grüße alle die Deinigen
In größter Eile
Von Deinem
Felix M.B.“

In Düsseldorf und später auch in Leipzig waren folgende Kopisten für Felix Mendelssohn Bartholdy tätig:

Amadeus Eduard Anton Henschke (1805-1854)
Eduard Rietz (1802-1832)
Johann Friedrich Rietz (1767-1828)
Johann Gottlieb Schauseil

Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Schon fünf Tage später folgte der zweite Teil der Partitur zusammen mit dem Brief Nr. 15, den wir hier niederschreiben:

„Lieber Ferdinand!
Hiebei erfolgt der Rest des zweiten Theiles meiner Partitur. Ich bitte sie dem Abschreiber sofort zuzustellen, und ihm zu sagen, daß die Arie welche nach dem Recitativ nr. 32 folgen soll, eingelegt werden muß, ebenso wie eine andere Arie, welche nach nr. 30 folgen soll. Ich werde diese beiden Arien selbst mitbringen, und sie können dann erst ausgeschrieben und in die Nummern geheftet werden. Er muß sich bei der Arbeit sehr in Acht nehmen, da die Partitur nichts weniger als gut geschrieben ist; am besten wäre es, wie ich schon früher schrieb, wenn Schauseil, falls er noch in Düsseldorf, die Stimmen auszöge.
Meine Partitur von Anaceron liegt dabei. Das Ensemble, von den ich schrieb ist pag. 217, von Larghetto f-dur 3/4 an, bis zum Chor aus h-moll (inclus. versteht sich). Ob sichs für den dritten Tag eignet, überlasse ich Dir und Rietz zur Entscheidung; es kommt auch sehr auf die engagierten Solosänger an.
Die Partitur der Ouvert, aus Olympia ist nicht gestochen, und auch sonst hier nicht zu bekommen (das Abon-Concert besitzt sie nicht), Soll sie daher aufgeführt werden, so müßte aus den Stimmen eine Partitur zusammengeschrieben werden (Siehe unten).
Den Text meines Oratoriums wollte ich ebenfalls beilegen, bin aber noch nicht fertig damit geworden; er ist länger als ich dachte. Er soll nächster Tage erfolgen.
Es freut mich, daß Du mich nach Orchestermitgliedern fragst, welche gegen Vergütung der Reiskosten kommen möchten, da die beiden in meinem vorigen Briefe genannten C.N. David und Chr. Queisser in keinem Falle auf mehr Anspruch gemacht haben würden. Ich sehe also gewiß einer günstigen Antwort für beide entgegen, was sie ungemein freuen wird.
Wenn die Ankündigung in ein Engl. Blatt soll, wären dazu die Morning Chronicle oder Times die besten meines Wissens. Wenn Du an Klingemann eine Einladung schicken und ihm ein paar Worte dazu schreiben möchtest, so thätest Du mir einen großen Gefallen, und ich bitte Dich recht sehr darum. Es wird ihm gewiß sehr lieb sein.
Auch hätte ichs gern, wenn vom Comité eine Einladung an Edward Taylor, Esquire, no. 3 Regents Square erginge. Ich glaube, er interessiert sich sehr dafür.
Nun nimm meinen Dank über die freundlichen Worte, die Du mir über meinen ersten Theil schreibst. Auch ich würde mich jetzt herzlich auf die Aufführung freuen, wenn der Gedanke an meinen Vater nicht gar zu sehr damit verknüpft wäre. Lebewohl und grüße alle Deinigen Dein
F.M.B."

Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Die Erleichterung über die Genehmigung des Königs zur Abhaltung des Musikfestes an Pfingsten und die Nöte um die Fertigstellung der Noten werden aus einem Brief Mendelssohns (Brief Nr. 13) deutlich:

„An das hochlöbl. Comité für das diesjährige Niederrheinische Musikfest
zu Händen des Herrn Assessor F. von Woringen in Düsseldorf

Hiebei A.C. ein Packet geschriebener Musikalien in Wachsleinen.

Einem hochverehrten Comité für das diesjährige Nieder Rheinische Musikfest übersende ich hiebei die Partitur meines Oratoriums (den ersten Theil, und vom zweiten die Nummern 26-31 incl.) der Rest des zweiten Theiles wird in einigen Tagen nachfolgen. Ich setze voraus, daß die Stimmen dort besser und correcter ausgeschrieben werden können, als es hier geschehen würde, da ich sogar diese Abschrift Note für Note durchsehen mußte und dennoch fürchte, daß sich Fehler eingeschlichen haben werden. Leider habe ich auf meine vor mehreren Wochen deshalb geschehene Anfrage keine Antwort bekommen, und bin deshalb nicht sicher, ob diese Einrichtung die Zustimmung des Comité haben wird; ich weiß es aber nicht anders zu machen.

Ich bitte also die Abschreiber sogleich mit den Instrumentalstimmen zu beschäftigen, und auch die Solostimmen (sämtlich) aus der Partitur mit untergeschriebenem Baß ziehen zu lassen. In den Instrumentalstimmen wünsche ich die Stichwörter (nach Recitationen ac) genau ausgemerkt.

Ich habe gestern aus der Preuß. Staatszeitung ersehen, daß die Königl. Genehmigung für das Fest an den Pfingsttagen erfolgt ist, und daß am zweiten Tage die Webersche Erndte Cantate gemacht werden soll. Zur Königl. Erlaubnis wünsche ich von Herzen Glück und möchte nur bald die Entscheidung für das Repertoire des zweiten Tages von Ihnen erhalten. Auch bitte ich ein hochverehrtes Comité mir den Empfang dieser Sendung (meiner Partitur) wenn auch nur mit einigen Zeilen zu bescheinigen und bin mit vollkommener Hochachtung
Eines hochverehrten Comités ergebenster
Felix Mendelssohn Bartholdy
Leipzig den 16ten April 1836."


Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Im folgenden Brief (Brief Nr. 14) befaßte sich Mendelssohn wieder mit allerlei organisatorischen Dingen, Korrekturen in den gestochenen Noten, den Qualitäten und Möglichkeiten der Solosängerinnen und -sänger und der Orchesterbesetzung:

"Herrn Assessor F. von Woringen
Hochwohlgeboren in Düsseldorf

Leipzig, den 17ten April 36.
„Lieber Ferdinand!
Dein so eben empfangener Brief vom 12ten bringt mir die ersehnte Nachricht Eures Wohlbefindens, und daß nur vielfach gehäufte Beschäftigung Dich vom Schreiben abgehalten. Ich hatte mir schon manches Unangenehme gedacht, was an dem langen Stillschweigen Schuld sein konnte, und freue mich doppelt, es nicht eingetroffen zu sehen. Gestern habe ich nebst einem Brief an das Comité den ersten Theil meiner Partitur und vom zweiten bis No. 31 (incl.) geschickt; der Rest der Partitur soll am nächsten Donnerstag d. 21ten abgehen, und ich werde die Partitur von Anacreon dann dazu legen, da morgen keine Fahrpost geht, und der Unterschied von Dienstag und Donnerstag wohl nichts ausmachen wird. Sieh Dir übrigens das Finale ja vorher an, da ich immer noch zweifle, ob sichs zu einer Aufführung am 3ten Tage eignen würde. - Wenn Simrock die Quartettstimmen des Paulus bis dahin stechen kann und will, so ist es mir recht; die Blasinstrum. aber wünsche ich in jedem Falle geschrieben (wo möglich von Schauseil wenn er noch dort ist) und aus den geschriebenen Stimmen gespielt zu haben. Ebenso die Solostimmen, welche ich recht bald aus der Partitur zu ziehen bitte. In dem Exemplar der Chor-Stimmen (des ersten Theils) das mir Simrock zugeschickt hat, habe ich folgende Fehler gefunden, die ich Dich verbessern zu lassen bitte, da sie wichtig sind.

Im Sopran, pag. 6, System 2, Tact 7 muß die erste Note, statt viertel Pause Viertel c/e so heißen: viertel Pause Viertel c.
Im Tenor pag. 8, System 2, muß die erste Note statt h, g heißen, so: Viertel g, a, Halbe a.
Im Tenor pag. 10, letztes System, Tact 2, muß das letzte Viertel statt a, c heißen: Viertel c, h, c.
(Im Originalbrief malte Mendelssohn die Noten auf)

Nun zur Beantwortung der einzelnen Punkte Deines Briefes.

ad 1) wünsche ich gar sehr, daß von meiner Composition bei diesem Feste weiter nichts gegeben werde, da das Oratorium gewählt worden ist. Ich habe oft und ich glaube nicht ganz ohne Grund klagen hören, daß die Dirigenten ihre Compositionen vorzugsweise zur Aufführung zu bringen suchten, und es ist das ein wahrer Uebelstand, den ich immer gern vermeiden möchte. Ich wünsche daher, daß von meinem Psalm sowie von einer Ouvertüre von mir abstrahirt werde. Das Oratorium ist an sich schon sehr lang, und wäre das nicht, so hätte ich gern am ersten Tage noch eine Ouvertüre oder Symphonie von anderer Composition angesetzt, eben aus gesagtem Grund.
Neukomms Hymne de la nuit, die ich zwar nur oberflächlich kenne, eignet sich aber nach meiner vollkommenen Ueberzeugung nicht für das Musikfest; es scheint mir ohne Schwung und Leben, und wir brauchen am zweiten Tag diesmal gerade etwas Lebendiges, Anregendes.
Meine Meinung über Webers Cantate habe ich schon im vorigen Briefe geschrieben. Mozarts Davidde (obwohl manches am zweiten Tage dagegen spräche) ist vollkommen der Aufführung und Wiederholung werth, auch ist viel Gelegenheit für Solostimmen darin, sich zu zeigen. Da also sowohl die Webersche Cantate als der Davidde musikalisch mir ganz geeignet scheinen, so kann die Entscheidung für eins oder das andere nur von localen Gründen abhängen und ich muß dieselbe dem Comité ganz überlassen. Ebenso wegen der beiden Ouvertüren von Spontini und von Weber, die mir beide recht wären, wenn die Beethovensche nicht zu bekommen ist. Die Partitur der Olympia kann ich nicht schicken, da sie nicht gestochen, und auch wohl sonst hier nicht zu haben ist, doch will ich mich bis Donnerstag danach umsehen, und sie beilegen, wenn ich sie finden sollte.
ad 2) Weiß ich nah und fern keine Solosängerin zu empfehlen, und in jedem Falle wäre es auch jetzt zu den Unterhandlungen ec. zu spät. Die Heinefetter ist nicht mehr hier in der Gegend, die Hähnel hat ganz genau die Stimmlage wie die Grabau, und hülfe also nicht aus der Noth, sonst weiß ich von keinen guten Stimmen, die zu bekommen wären. Auf keinen Fall kann die Grabau die Solos allein singen, da sie wie schon gesagt, Mezzosopran ist und z.B. in der ganzen Beethovenschen Symph. hier nicht den Sopran sondern den Altsolo gesungen hat, also wäre schon für dieses Stück allein ein hoher Sopran unentbehrlich. Was nun die Altsolos betrifft, so ist in meinen Oratorium nur ein kurze Recit. und Arioso und einige Quartettsolostellen für Alt und dies wird gewiß leicht zu befolgen sein. Mde. Leibl würde dieses Solo wohl ganz befriedigend singen können. Findet sich eine bessere Solo-Altistin, desto besser. Vor allem bitte ich die Solo-Baßparthie aus meinem Orator. ausschreiben zu lassen und sie dem Versing, wenn er sie singen soll recht ans Herz und aufs Notenpult zu legen, da sie sehr wichtig und in den Recitationen sehr schwer ist. Mde. Schmidt ist ebenso wenig hoher Sopran, wie die Grabau und Hähnel, doch wäre es vielleicht gut, sie kommen zu lassen, aber da ich sie gar nicht seit 4 Jahren gehört habe, will ich sie nicht auf meine Verantwortung hin gleich engagieren, und kann unmöglich in diesen Tagen deswegen nach Halle fahren. Sollte sie also engagirt werden, so müßte dies vom Comité ausgehen.
ad 3) habe ich schon eigentlich in meinem vorigen Briefe vom 13ten d.M. geantwortet. Wenn Concertmeister David käme und mit Kreutzer vorgeigte, wäre es zwar allerdings viel besser als mit Präger, indeß ist letzterer auch tüchtig und gut; nur müßte auch außer diesen beiden für gute Geiger sehr gesorgt werden. Ich hoffe auf meinen vorigen Brief in dieser Beziehung auf eine baldige Antwort des Comités. - Diethe als Hoboist wäre ganz gut, aber wird es den alten Diebener in Cöln nicht zu sehr schmerzen? Das wünsche ich doch nicht. Besser ein bischen Aerger mehr, indeß überlasse ich dies hauptsächlich Rietz, wie schon gesagt. Bessere Clarinetten als Fischer und Klotz sind meines Wissens in der Gegend nicht zu finden, auch haben sie voriges Jahr in Cöln geblasen; dagegen Ruhland und den Cölner Fagottisten Schröder hätte ich gerne, sie sind sehr gut.
ad 4 und 5) nun noch, daß ich den Text des Paulus am Donnerstag mitschicken werde.
ad 6) über den unterzulegenden Text der Weberschen Cantate weiß ich nichts zu sagen; den Cölner kenne ich nicht, der andere müßte allerdings verbessert werden, und zwar fast überall.
ad 7 und 8) für das 3te Concert wünsche ich, wie schon gesagt, daß meine Ouvert. ausfallen möge, ebenso mein Psalm zum Schluß. Ueber das 8te Concert werden wir ja wohl noch zeitig genug miteinander sprechen können.

Gern hätte ich Deinen Wunsch erfüllt, früher zu kommen, und ich hätte es getan, wenn ich Deinen Brief früher erhalten hätte, so aber ist es mir unmöglich, und ich werde erst heut über 14 Tage, den 1ten Mai, von hier abreisen können. Ob ich am 8ten Mai früh mit dem Dampfboot oder Abends spät aus Cöln komme, weiß ich noch nicht, ich muß einen Tag in Frankfurt bleiben, von wo aus ich Dir meine Ankunft genau melden will.
Und nun verzeih´ den einförmigen trockenen Geschäftsstyl meiner Briefe, aber ich bin von vielen (hiesigen und anderen) Geschäften ganz belagert und zuweilen brummt mir der Kopf. Danke Schadow in meinem Namen für seinen freundlichen Brief, der sich mit dem meinigen gekreuzt hat und den ich nun als die erwünschte Antwort betrachten darf. Und nun grüße auch die lieben Deinigen viel tausendmal von Deinem
Felix M.B.“

Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

An diesem Tage schrieb Mendelssohn an Ferdinand von Woringen (Brief Nr. 11):

"Herrn Assessor F. von Woringen
Hochwohlgeboren in Düsseldorf
Leipzig, den 1ten April 1836
Lieber Ferdinand!
Deinen eben erhaltenen Brief vom 26ten v.M., eile ich noch vor Abgang der heutigen Post zu beantworten, Du wirst hoffentlich meine Briefe vom 26ten und vom 30ten richtig erhalten haben, und mir recht bald Antwort auf alle darin berührten Punkte geben.
Das Rietz den Psalm von Händel instrumentieren will (da eine Orgel sich wohl nicht wird anbringen lassen) ist mir ungemein lieb und hat mich sehr gefreut. Danke ihm in meinem Namen dafür, und sage ihm er möchte das 2te Horn mit dem tiefen C ja nicht vergessen.
Den Brief an Frl. Grabau werde ich morgen selbst zu ihr bringen und denke binnen wenig Tagen Dir eine entscheidende Antwort über Ihr Kommen oder Nicht-Kommen geben zu können.
Die Ouvertüre aus Olympia wäre allerdings viel passender als die aus Faust, da der Letzteren der schöne Schlußeffect mit der Theatermusik unentbehrlich ist. Aber um so mehr komme ich auf die Beethovensche zurück, wenn sie nur irgend von Aachen zu haben ist; und ich bitte Dich, Dir rechte Mühe darum zu geben.
Vrugt wäre gewiß eine große Zierde für das Fest, und es wäre mir also vollkommen erwünscht, wenn er käme. Ich habe aus keinem Grunde etwas dagegen, wenn er engagiert würde (mein Zusammentreffen mit ihm beim letzten Düsseldorfer Feste war nur ein Mißverständnis, wie ich aus gewisser Quelle höre) und ich hoffe fest, daß er gewonnen werden wird, was mich sehr freuen würde.
Hat die Decker denn entschieden abgelehnt? Oder noch nicht? Die übrigen Fragen habe ich in meinem vorigen Briefe schon beantwortet.
Die Post geht, ich schließe in größter Eil.
Grüße die Deinigen Alle Dein Felix M.B."


Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Ferdinand von Woringen erhielt an diesem Tage wieder Post aus Leipzig mit interessanten Details zum bevorstehenden Musikfest (Brief Nr. 12):

"Herrn Assessor F. von Woringen
Hochwohlgeboren in Düsseldorf
Leipzig, d. 13. April 1836
Lieber Ferdinand.
Seit 8 Tagen erwarte ich nun Deine Antwort auf meinen Brief vom 30ten und läugne Dir nicht, daß mich das Ausbleiben derselben in mannigfache Verlegenheit setzt. Da auch heut keine Nachricht von Dir gekommen ist, so schreibe ich diese Zeilen mit der Bitte, mir sogleich Antwort zu geben, auf alle verschiedenen Puncte meiner vorigen Briefe (auch der vom 1ten April ist doch in Deine Hände gelangt). Ich weiß nun von der Wahl des zweiten Tages immer noch nichts Bestimmtes und mir ist das recht unangenehm. Auch verdrießt es mich, die Webersche Cantate umsonst für Euch gekauft und geschickt zu haben; aber da nach Deinem officiellen Brief das Comité selbst die Cantate als einer der Stücke (außer dem Faust und dem Schneider) vorschlug, so konnte ich durchaus nicht glauben, daß sich dasselbe später dagegen erklären würde. Auch war bei Empfang Deines letzten Briefes vom 30sten zu neuen Vorschlägen von mir keine Zeit und ich muß also nur abwarten, was das Comité dort beschließen wird. Mich von diesem Beschlusse baldmöglichst in Kenntnis zu setzen, darum bitte ich Dich nun.
Am nächsten Sonnabend, den 16ten d.M., geht der erste Teil meiner Partitur und etwa die Hälfte des zweiten per Fahrpost an Dich ab. Der Rest folgt in einigen Tagen dann, und ich bitte Dich, die Ausschreiber gleich damit zu beschäftigen und zu treiben. Auch darüber bin ich ohne Bescheid, ob dem Comité diese Einrichtung genehm ist (da es hier an guten, correcten Schreibern fehlt und ich alles genau selbst corrigieren muß), aber ich darf nicht auf Antwort hierauf warten, sondern muß die Partitur am Sonnabend nun in jedem Falle zu schicken.
Die Grabau hat, wie Sie mir sagt, bereits selbst an das Comité geschrieben und angenommen. Ueber die Bedingungen wollte sie durchaus nichts Weiteres sagen, sondern blieb dabei, wenn sie nur keine Kosten davon hätte, so wäre sie zufrieden.
Ferner hat mich der hiesige Concertmeister David, schon vor mehrerer Zeit gefragt, was das Comité gewöhnlich einem der Vorspieler gäbe, und ob schon die Vorgeiger engagiert wären? Er wollte wenn dies letztere nicht der Fall wäre, und man auf ihn reflectiren würde, eine Reise, die er zu der Zeit ohnehin unternimmt, nach der Rheingegend hin richten, um an dem Feste theil nehmen zu können. Daß er ein vortrefflicher Solo- und Orchestergeiger ist, wirst Du wohl schon dem Ruf nach wissen, und ich brauche ihn also in dieser Hinsicht nicht erst zu empfehlen, und bitte Dich also auf Beantwortung seiner beiden Fragen. Eine ähnliche Frage that mir der Posaunist Queisser (derselbe der bei allen Elb-Musikfesten Solo zu spielen pflegt). Er ist zugleich unser Vorspieler bei der Bratsche und ein vortrefflicher Musikus. Er sagte, wenn man ihm nur einigen Ersatz für die Reisekosten bieten könnte, so würde er sehr wünschen zum Feste zu kommen. Von seinem unglaublichen Talent auf der Posaune hast Du gewiß gehört.
Desgleichen hat der Baßsänger Gustav Nauenburg aus Halle an mich geschrieben und gefragt, ob ich ihm freie "Station" (womit er wie ich denke den "Aufenthalt" meint) bei dem Musikfeste ausmachen könnte, so würde er hinreisen und mitwirken. Er ist ein bekannter guter Solosänger und tüchtiger Musikus.
Von Solospielern wüßte ich nur den (Wuppertal) Elberfelder Flötisten und den Cölner Fagottisten, die besser wären als die gewöhnlichen Düsseldorfer Soloinstrumente, doch kann ich über diesen Punct nichts Bestimmtes äußern und bitte Dich denselben mit Rietz zu besprechen, der darüber die entscheidenste Stimme hat.
Auch die Ouv. zum Beherrscher der Geister wäre mir recht, so wie jede, die gewählt würde, nur möchte ich bald die Bestimmung erfahren.
Ich verlasse Leipzig am 1ten Mai, und gedenke am 8ten Mai Abends in Düsseldorf einzutreffen.
Und nun lebe wohl, lieber Ferdinand, giebt mir auf diesen Brief schnelle Antwort, und grüße Deinen lieben Vater und die Schwestern vielmal und herzlich von Deinem
Felix MB."

Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Der Brief Nr. 10 von diesem Tage macht auch wieder deutlich, dass Mendelssohn sich wie ein Musikmanager modernster Prägung um alle Aspekte kümmerte. Im vorletzten Absatz offenbart er v. Woringen seine Gemütsverfassung und seine fortdauernde Trauer über den Tod seines Vaters Abraham (Bild) im November 1835:

„Herrn Assessor F. von Woringen
Hochwohlgeboren in Düsseldorf
Lieber Freund
Da ich die Radziwillsche Partitur erst gestern Nachmittag empfing, so kann ich erst heute Dir darüber schreiben. Ich habe sie mir mit dem lebhaften Wunsche durchgesehen, dass sich für den zweiten Tag des Musikfestes etwas darin finden möge, aber ich bedauerte zu sehen, dass die Musik zu diesem Zwecke sich durchaus nicht eignet. Um der Neuheit und des Namens willen wäre es sehr erwünscht gewesen; ich hätte auch gedacht man könnte die Ouvertüre, die Chöre „Christ ist erstanden“ mit Weglassung des Dialogs dazwischen, dann etwa Gretchens Lied „Ach neige“ und zum Schluß den Chor „Schwindet ihr dunklen Wölbungen“ und „Weh, du hast sie zerstört“ daraus nehmen und einzeln aufführen; wenigstens sind das die einzigen Nummern, die theils des Textes, theils des Dialogs halber möglicherweise gegangen wären – aber indem ich sie mir im Zusammenhang dachte und überlas, wurde mir es sehr klar, dass es ohne die geringste Wirkung vorübergehn würde, ja, dass es mit seiner dunklen Haltung und Instrumentirung der Beethovenschen Symphonie und ihrem Eindruck Schaden thun würde, indem die Leute sich nach der Radziwillschen Musik nach etwas Heiterem, leicht Fasslichen sehnen würden, und somit nicht gut für die große Symphonie vorbereitet wären.
Aus diesem Grunde wird es also wohl bei der Erndte-Cantate von Weber bleiben müssen. Dies ist mir auch lieb, da es ein sehr heiteres freundliches Stück ist, mit drei sehr brillanten Soloparthien, und einigen höchst interessanten Musikstücken, jedenfalls des Festes ganz würdig, und auch soviel ich weiß, erst einmal vor längerer Zeit in Cöln gegeben. Die Chöre sind leicht, und erfordern wenig Zeit zum Einstudieren, was auch bei der Schwierigkeit der Beeth. Symph., und der Menge Chöre in meinem Oratorium erwünscht ist – kurz, wenn sich währenddessen nicht etwas entschieden Besseres sollte gefunden haben, so glaube ich, wir könnten nichts Passenderes als diese Cantate wählen. Die Partitur schicke ich morgen (da heute keine Fahrpost geht) an Dich ab, lege aber meine Partitur aus Anacreon nicht dazu, obwohl ich es versprochen hatte. Der Text des Finales ist so wenig christlich, vielmehr so entschieden Anacreonsisch, dass ich meinen Vorschlag für das Morgen-Concert zurücknehmen muß, weil ich aus Wupperthal dabei nicht gedacht hatte. Willst Du es für den Singverein haben, so werde ich Dirs mit einer anderen Gelegenheit schicken.
Die Chorstimmen der Weberschen Cantate sind nicht gestochen. Willst Du, dass es geschehen soll, so gieb mir möglichst schnell Nachricht und sage die Anzahl Exemplare, die ihr braucht, damit ich Schlesinger, dessen Eigenthum es ist, darüber schreiben kann, oder was noch besser wäre, schreibe es ihm direkt nach Berlin, denn ich glaube nicht, dass ein Anderer, als er die Stimmen stechen darf. Jetzt wäre die Sache freilich sehr pressiert, und du müsstest Dich auf jeden Fall erst in Cöln erkundigen, ob dort nicht noch die Stimmen der früheren Aufführung vorhanden, und zu Eurer Disposition sind. Die Partitur ist jedenfalls dort zu finden, und ich schicke sie nur, weil Du mir den bestimmten Auftrag giebst.
Der zweite größer gedruckte Text „Erndte-Cantate“ wäre auf jeden Fall vorzuziehen. Jedoch wäre es mir sehr lieb, und von großem Vorteil für das Ganze, wenn an einigen Stellen auch dieser Text noch ein wenig geändert und gebessert werden könnte. Er ist hier und da auch gar zu unbehülflich. Vielleicht erlaubt es Dir Deine Zeit, Dich ein paar Stunden damit zu beschäftigen, wo nicht, so gieb irgend einem anderen, der es gut machen kann, Auftrag. Die Stellen, wo ich besonders eine Aenderung notwendig halte, sind: in der Tenor-Arie von pag. 36 (der Partitur), wo ich „die Wissenschaft & Co.“ sehr gern fort hätte, und noch mehr auf den folgenden Seiten das Lob „Des weisen Führers“. Es klingt gar zu verdammt prosaisch, das Lob des „schönen Wetters“ gefiele mir noch zehnmal besser. – Ferner die ganze Sopran-Arie von pa. 58, die sich auf die Krankheit des Königs bezieht, und zur Erndte passt, wie die Faust aufs Auge. Am allermeisten aber bedarf das Recit. Pag. 96 anderer Worte, die sich mehr auf die Erndte, und weniger auf Gott, König und Vaterland beziehen, damit der darauf folgende Chor in cdur nicht gar zu heterogen klinge, die „Stimme in den Wolken“ und die Krone des Gerechten und der „Erntekranz“ gleichdarauf passen gar zu wenig.
Wenn aber nun diese Cantate gewählt wird, so muß ich auf meinen vorigen Brief mich wieder beziehen, und sagen – denique censeo -, ich meine, dass die Beethovensche Leonoren-Ouvertüre (schon als Neuigkeit) den jeder anderen vorzuziehen wäre.
Von meiner Partitur des Oratoriums werde ich eine Abschrift nach Düsseldorf schicken, und dich bitten, das Ausschreiben der Instrumental- und Solostimmen dort zu besorgen. Ich habe hier keinen recht guten Copisten. Der erste Theil wird in der ersten Hälfte, und der zweite in der letzten Hälfte des nächsten Monats in Deine Hände gelangen. Ich selbst denke etwa den 8ten Mai in Düsseldorf einzutreffen.
Mit wie vieler Freude ich denn das gütige Anerbieten bei Euch zu wohnen annähme, das brauche ich Dir wohl mit keinem Worte zu sagen. Da ich noch immer weder an der Musik, nach an sonst etwas rechte Freude habe, so ist das einzige, worauf ich mich bei dem Feste und überhaupt noch freuen kann, das Wiedersehen derer, die mir noch geblieben sind. Aber mich hat Schadow vor meiner Abreise so bestimmt aufgefordert, bei ihm zu wohnen, wenn ich zum Feste käme, dass ich auf jeden Fall bei ihm anfragen muß, und er sonst mit Recht auf mich zürnen könnte. Ich denke ihm deshalb in diesen Tagen zu schreiben, dass ich aber Dir und Deinem lieben Vater für die gütige Einladung ebenso dankbar bin, als wenn ich sie annehmen könnte, das weißt Du. Und sage Deinen lieben Schwestern und dem Vater meinen Dank und meine herzlichen Grüße.
Nun bitte ich Dich, mir so bald als möglich die Entscheidung des Comités mitzutheilen, und mir zu sagen, ob ich den Händelschen Psalm instrumentieren muß, oder ob eine Orgel sich finden läßt. Ferne wie es mit den Solisten aussieht. Ferner ob die Auswahl für den 2ten Tag: „Psalm v. Händel, Ouv. v. Beethoven Leonore, Ernte Cantate von Weber, und 9te Symph. v. Beeth.“ vom Comité genehmigt wird; mir wäre sie die liebste. Doch wiederhole ich, daß ich mich auch mit jeder anderen Bestimmung des Comités vollkommen einverstanden erkläre. Es freut mich sehr, dass Rietz darin ist, der dem ganzen gewiß von wesentlichem Vortheile ist. Ferne schreibe mir, wenn die Proben bei Euch angehen und mach, dass sobald als möglich angefangen wird. Kurz schreibe mir so viel und sobald Du kannst und lebe wohl und glücklich,
Dein Felix Mendelssohn-Bartholdy
Leipzig, den 30ten März 1836.“

Musikfest = Düsseldorf - 18. Niederrheinisches Musikfest am 22. und 23. 5. 1836

Im Brief von diesem Tage (Brief Nr. 9) äußerte Mendelssohn seine Sorge über die Möglichkeit der Trübung seines Verhältnisses mit v. Woringen wegen eines Briefes seiner Mutter an v. Woringen und beschäftige sich wieder ausführlich mit dem Festprogramm:

„Herrn Assessor F. von Woringen
Hochwohlgeb. in Düsseldorf
Lieber Ferdinand!
Deinen gestern erhaltenen Brief eile ich sogleich zu beantworten, und dich vor allen Dingen zu bitten, aus dem was meine Mutter von hier aus an Dich geschrieben ja kein Mißverständnis werden zu lassen. Es ist mir durchaus nicht eingefallen, Dir in irgend einer Beziehung Saumseligkeit in den Anstalten des Musikfestes Schuld geben zu wollen, und hoffentlich weißt Du, dass ich Dich zu gut kenne, um dergleichen nur einen Augenblick zu denken; was ich gegen meine Mutter äußerte, war, dass es mir leid wäre, dass so viele wichtige Bestimmungen über das herannahende Fest noch nicht getroffen seien, und dass ich dies für einen großen Uebelstand hielte. Daß aber Du daran nicht die geringste Schuld hast, weiß ich gewiß, und so hoffe ich, du werdest das Wort, das meine Mutter geschrieben, nicht so aufnehmen, wie es nicht gemeint gewesen sein kann. Denn Du bist ja auch meiner Meinung, dass es die höchste Zeit schon ist, mit Anordnungen wie die Auswahl für den zweiten Tag, die der Solosänger ins Klare kommen, und doch wäre es gewiß gut gewesen, über so wichtige Fragen mehr hin und her zu correspondieren, als bis jetzt hat geschehen können, denn ich bin nicht Deiner Meinung, dass ich die Verantwortlichkeit der Auswahl, ihre Billigung oder Missbilligung, allein zu tragen haben solle – ebenso wenig, wie ich dies dem Comité alleine zuwenden möchte – sondern ich meine dies sei eine Verantwortlichkeit die das Comité und ich gemeinschaftlich über nehmen, und wegen derer wir uns also genau verständigen müssten. Es ist mir daher doppelt lieb, dass Du mir die Vorschläge des Comites für den zweiten Tag hast mitschicken können. Was erstlich die Wahl der Symphonie betrifft, so halte ich es nun für gewiß, dass die neunte Beethovensche gemacht wird; ich wenigstens möchte keine andere wünschen, sobald Ihr die Schwierigkeit und den tiefen Ernst des Stückes nicht scheut; da nun gar noch ein dritter Tag projektiert wird, wo es noch heitere Musik vollauf geben kann, so würde keine bessere Wahl zu treffen sein, als diese, und ich betrachte sie nun als definitiv. Sie wird also den zweiten Theil bilden.
Der Psalm von Händel bedarf allerdings notwendig der verstärkten Instrumentierung, wenn es nicht möglich ist in den Saal eine Orgel zu bringen, wie voriges Jahr in Cöln. Das ist allerdings die würdigste, oder einzig rechte Art den Händel aufzuführen. Geht es aber nicht an, wie ich fast fürchte, so werde ich versuchen die Orgel durch zugefügte Blasinstrumente zu ersetzen. Ich bitte Dich um baldige Antwort auf diesen Punct.
Die Ouvertüre zu Elisa von Cherubini ist schön, und ich wäre ganz einverstanden mit der Wahl derselben, aber ich möchte doch dem Comité nochmals zu bedenken geben, ob die dritte Beethovensche zu Leonore nicht interessanter an dieser Stelle wäre? Du sagst, da sie nicht so schön sey als die beiden anderen, sey sie nicht fürs Musikfest geeignet. Doch ist sie nach meiner Meinung in jedem Fall eben so schön, wohl noch viel schöner, und wirksamer als die Cherubinische, deren Schluß namentlich nicht kräftig ist, und endlich wäre die Beethovensche eine wahre Neuigkeit, da sie meines Wissens fast nirgends noch gehört worden ist. Daß sie nicht allein nicht ohne Interesse, sondern eine große Zierde Eures Musikfestes sein würde, kannst Du mir auf mein Wort glauben. Ich bitte das Comite zwischen den beiden zu entscheiden, und bitte Dich, mir den Beschluß mitzuteilen. Ich glaube Dir schon im vorigen Brief geschrieben zu haben, dass Schindler in Aachen, die Stimmen der Beethoven-schen besitzen soll; es ist aber zweifelhaft, ob er sie hergiebt oder hergeben darf.
Ueber das folgende Gesangstück endlich kann ich heute noch nicht so definitiv schreiben wie ich möchte, da hier nirgends ein Exemplar des Faust von Radzivil existirt. Ich habe gestern gleich nach Empfang Deines Briefes nach Berlin darum schreiben lassen, und werde Dienstag (d.29sten) die Partitur hierher bekommen. Finde ich es dann irgend geeignet, so schicke ich die Partitur sogleich an Dich ab, denn allerdings wäre mir es am liebsten, wenn sich nur irgend geeignete Stücke fürs Concert darin fänden, den Faust zu wählen, der durch den Verfasser und die gänzliche Neuheit gewiß sehr interessieren würde. Die von Dir bezeichnete Hymne von Schneider „Jehova dir frohlockt pp“ habe ich hier gleich erhalten, aber sie ist für einen doppelten Männerchor, ganz ohne Frauenstimmen, d.h. blos mit Begleitung von Blechinstrumenten und Contrabässen (für die Märkischen Gesangfeste componiert) ich würde also in keinem Falle dafür stimmen. Ließe sich nun (wie Du zu fürchten scheinst) aus Radzivils Faust keine Auswahl fürs Fest treffen, so bliebe nur die Webersche Erndte (oder Jubel-) Cantate; es liegen zwei Texte darunter, und der auf die Erndte bezügliche wäre der passendere für das Musikfest) auch diese habe ich mit seit gestern mit Rücksicht auf das Fest angesehen; an Solostücken fehlt es darin nicht, einige Stellen z.B. der Anfang gefallen mir vorzüglich, und ich zweifle nicht, dass sie auf viele einen sehr guten Eindruck machen würde. Aber freilich ist sie ungleich und einiges darin nicht ganz der Würde eines Musikfestes entsprechend. Darum erwarte ich den Faust mit Ungeduld, und schreibe das Definitive hierüber erst nach dessen Empfang, am nächsten Dienstag. Bis dahin bitte ich Dich auch Deine Antwort zu verschieben. Die Webersche Cantate ist übrigens in Cöln, wo sie vor mehreren Jahren gegeben worden sein soll. Ehe sich für den dritten Tag etwas bestimmen läßt, müsste man wissen, welche Solosänger und –spieler sich beim Feste einfinden werden. Vielleicht könnte ich mit Rietz und dem Vorgeiger das Tripelconcert von Beethoven spielen. Oder sonst etwas mit Rietz. Im Falle ein Finale gemacht werden sollte, werde ich Dir mit dem Faust (falls er mir ausführbar scheint und ich ihn also schicke) ein Cherubinisches Anacreon schicken, das sehr schön ist, viele und dankbare Solos enthält, und sich gewiß eignete. Falls es nicht gemacht würde, wäre es in jedem Falle für den Musikverein eine gute Aquisation und ich könnte die Partitur dann wieder mit zurücknehmen.
Die Sänger betreffend, so würde ich, falls die Decker käme, es für überflüssig halten, auch die Grabau zu engagieren; im andern Falle aber sehr dazu rathen. Auch könnte mirs natürlich nur lieb sein, wenn an Breiting, oder Mantius oder Eichberger (der auch in Berlin ist) geschrieben würde, denn das würde Deine Mitwirkung ja nicht ausschließen. Ich muß dies jedoch ganz dem Gutbefinden des Comités überlassen. Die Soloparthien meines Orator’s sind nicht wichtig genug einen Sänger (außer dem Bassisten) dafür expreß zu engagieren.
Ich muß eilig schließen, weil die Post geht, also nur noch meinen Dank Deinem lieben Vater und Dir für Euer gütiges Anerbieten, und mehr und ausführlich im nächsten Briefe
Dein Felix Mendelssohn Bartholdy.“